Auch mit der Größe des Betriebs sank die Zahl der frei gebliebenen Ausbildungsstellen: Betrug der Anteil in Kleinstbetrieben rund 57 Prozent, waren es in Großbetrieben lediglich zwölf Prozent.

Wenig attraktive Arbeitsbedingungen und das mitunter schlechte Image mancher Ausbildungsberufe spielen demnach aus betrieblicher Sicht die wichtigste Rolle bei der Erklärung von Besetzungsproblemen.

Kapitän Offensichtlich wieder am Werk, und mögliche Lösungen, zum Beispiel gute Behandlung und gute Bezahlung der Azubis, werden von den Kleinbetrieben offenbar nicht konsequent kommuniziert und angewendet, zumindest von einem größeren Teil dieser Betriebe.

Aus meiner Sicht fehlt außerdem ein Punkt, an dem heftigstes Verbesserungspotential besteht: Die meisten Ausbildungen sind zu lang. Ich spreche nicht von Berufen, in denen mit gefährlichen und potentiell tödlichen Stoffen und Prozessen umgegangen wird, vom Elektriker bis zum Chemielaboranten, da ist eine gründliche und ausführliche Ausbildung aus meiner Sicht durchaus sinnvoll und notwendig.

Nein, ich meine solchen Unfug wie dreijährige Ausbildungen im Einzelhandel oder in Büroberufen und wo nicht noch (es gibt etliche Beispiele), bei denen jeder weiß, dass damit junge Menschen einfach drei Jahre lang als billigste Arbeitskraft ausgebeutet werden, obwohl die relevanten Teile der Ausbildung in einem Jahr gelernt werden können und jeder von Tag 1 an voll bezahlten Aushilfe nebenbei erklärt werden, ohne dass die Kunden reihenweise wegen Fehlberatungen sterben. Hat doch niemand mehr Bock, und zwar mit allem Recht, sich diese offensichtliche Verar… Veralberung noch anzutun.

Will sagen: Wenn sich bei Dir niemand bewirbt, dann liegt das mehr an Dir und an dem System, dass Du für Deinen Geldbeutel ausbeutest, als an den Bewerbern.

(Und wie die demographische Katastrophe, die auf uns zurollt, die Grundlagen unserer Gesellschaft gefährdet, könnt ihr in meinem nächsten Gemecker lesen. Das wird uns aus meiner Sicht noch vor Ökologie und Ernährungssicherheit den Kopf kosten.)

  • iamkindasomeone
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    1 month ago

    Gleich vorweg: ich will niemandem respektlos behandeln, aber eine Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer dauert drei Jahre! Die gleiche Zeit, in der man beispielsweise eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme macht, oder Physik im Bachelor studiert. Wenn man ganz böse ist, könnte man auch sagen, dass das ein Beruf ist, den man als Quereinsteiger in wahrscheinlich 4 Wochen erlernen könnte. Denn die Ausbildungen sind in den meisten Fällen so unnötig aufgeblasen, nur um sie irgendwie über diese drei Jahre strecken. Ich kenne beiden Welten. Habe eine Ausbildung im Bereich der Informatik gemacht, 3 1/2 Jahre lang. Ein paar Jahre später habe ich ein Studium (Bachelor + Master) in Informatik gemacht. Das Wissen aus der Ausbildung hat genau die erste Woche geholfen - klar, das eine ist eine praktische Berufsausbildung und das andere ein wissenschaftliches Studium. Aber trotzdem mussten wir in der Ausbildung auch diese ganze Theorie lernen, aber halt so oberflächlich, dass man damit quasi keinerlei Vorsprung gegenüber anderen Studierenden hatte, die direkt von der Schule kamen.

    Jetzt könnte man sagen: streicht die Ausbildungen zusammen und reduziert das auf ein, zwei Jahre. Das könnte funktionieren, könnte aber auch zu einer weiteren Herabstufung der Ausbildung als solches führen. Gerade in den Branchen, wo eine Ausbildung häufig nur den Anschein erweckt, als wäre sie die undankbare Nebenstelle für jemanden, der studiert hat. Beispiele: Mathematisch-Technischer Assistent. Die arbeiten dann irgendwelchen “echten” Informatikern zu, können wsl. häufig mehr als jemand der frisch von der Uni kommt, aber bekommen nie das Ansehen. Oder Rechtsanwaltsgehilfen. Und viele mehr.

    Was wir wirklich bräuchten, wäre eine komplette Restrukturierung des Konzepts “Ausbildung” und eine Aufwertung, vor allem durch das Gehalt und die Perspektiven. Viele Ausbildungsberufe sind komplett irrelevant geworden und haben niemals ein technologisches Upgrade erhalten. Dabei gäbe es so viele Anwendungsfälle alleine in der Informatik. Wieso nicht konkrete Fachleute ausbilden, z.B. im Bereich der Künstlichen Intelligenz? Dann hat man auf der einen Seite Menschen mit großem theoretischen Allgemeinwissen, und auf der anderen Seite Leute, die die Sachen direkt umsetzen. Beide würden sich super ergänzen und man hätte die Ausbildung deutlich aufgewertet.

    • muelltonne
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      1 month ago

      Gleich vorweg: ich will niemandem respektlos behandeln, aber eine Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer dauert drei Jahre! Die gleiche Zeit, in der man beispielsweise eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme macht, oder Physik im Bachelor studiert.

      Ich bin beruflich leicht schräg in der Branche und mein Arbeitgeber hat mir zu Beginn quasi im Nebenbei als Einarbeitung an 2 Tagen in einer internen Schulung wirklich alles vermittelt, was man so in einem Backshop benötigt. Ich hatte natürlich null Vorwissen und trotzdem geht das eigentlich recht easy: Zeugs aufbacken, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Backwarensorten, dann LMIV & Allergene, Hygiene und Warenpräsentation. Klar, ich kann immer noch keine Kasse bedienen. Ich bin innerlich noch nicht so tot, dass ich jeden Arschkeks noch freundlich behandel und ich hab keine Ahnung, wie viele Brötchen man pro Tag aufbacken muss, aber das ist eh extrem standortabhängig und individuell. Dafür kann ich den Bürokaffeevollautomaten bedienen und reinigen - und damit kann ich glaube ich gut deine Aussage bestätigen. Du brauchst keine dreijährige Ausbildung, um ein überschaubares Backwarensortiment zu verkaufen.

    • Aniki
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      1 month ago

      grade bei Informatik bin ich skeptisch. Das Feld entwickelt sich so schnell, dass eine Ausbildung heute wahrscheinlich in drei Jahren wieder obsolet ist, ist meine Meinung dazu.

      • iamkindasomeone
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        1 month ago

        Naja, was genau entwickelt sich gerade so schnell? Klar, gerade passiert viel im Bereich generativer KI, aber die konkrete Anwendung wird sich bald sättigen. Ansonsten ist die letzten Jahre nicht grundlegend Neues dazugekommen. Jemand, der vor 5 Jahren eine App entwickelt hat, kann mit der selben Technologie auch heute eine App entwickeln. Und wenn ich heute sage, bildet mir Fachleute für Robotik aus, dann werden die in drei Jahren nicht schon überholt sein. Bis auf ein paar Hypes passiert gar nicht so wahnsinnig viel absolut Gamebreaking Stuff in der Informatik. Und ich mein, die Lehrpläne an Unis passen sich noch langsamer an. Wer heute Informatik studiert bekommt wsl die gleiche Einführung in Algorithmen und Datenstrukturen wie vor 10 Semestern.

        • Aniki
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          1 month ago

          Naja, also genAI hat schon das Potential, die Arbeitswelt radikal umzukrämpeln. Gerade an Büro-Jobs, Jobs in der Administration und im Management denke ich da. Das sind ja alles fast reine Papier- oder Bildschirm-Aufgaben. Vielleicht noch ein oder zwei Telefonate dazu. Aber ja, genau das worin ein Computer gut sein kann eigentlich.

      • sebsch@discuss.tchncs.de
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        1 month ago

        TIL der Dijkstra Algorithmus ist wie ein B-Baum genauso obsolet wie der Einsatz von Datenbanken von Linux Userland Applikationen ganz zu schweigen! Hätte mich nur jemand vor meinem Studium gewarnt, dass ich diesen ganzen Stoff nie benötigen werde weil sich alles in der IT so schnell erneuert.

        Dank @gandalf_der_12te@feddit.de weiss ich jetzt aber das ich Grundlagen nicht verstehen muss und einfach irgendwelche Scripte von einem generativen NN schreiben lassen kann wenn ich erfolgreich sein möchte ;)

        • Aniki
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          1 month ago

          Naja also ich kenne Dijkstra-Algorithmus und balanzierte Bäume zumindest noch. Aber ja, ich kenne viele Programmierer, die von beidem niemals gehört haben.

    • Aniki
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      1 month ago

      Was wir wirklich bräuchten, wäre eine komplette Restrukturierung des Konzepts “Ausbildung” und eine Aufwertung, vor allem durch das Gehalt und die Perspektiven.

      Was mir grade noch einfällt ist dass vermutlich die langen Ausbildungszeiten auch damit zu tun haben, dass man dann sagen kann, man habe immerhin ganze drei Jahre lang gelernt. Dadurch erfährt der Beruf vielleicht auch eine Aufwertung.

      Aber ja, ich bin überhaupt für eine starke Verringerung des Konzeptes “Erwerbsarbeit” in der Bevölkerung.