So. Ich hab meinen Kaffee Tee getrunken, beruhigt habe ich mich jetzt nicht.
Ich scrolle durch Feddit, da vibriert mein Handy, der Name “Mama” steht auf dem Display. Das kann zwei Sachen bedeuten: Entweder ist irgendwas schlimmes passiert oder sie braucht wieder Hilfe mit irgendwas technischem. Für sie ist meistens beides das Gleiche. Ich nehme den Anruf an.
“Hey Mama, was gibbet?”
Bisschen Smalltalk, wie geht’s uns allen, blabla.
“Treasure, ich brauche zum ersten März ein 49-Euro-Ticket, kannst du mir das morgen einrichten?”
“Ich bin morgen auf Arbeit, aber wenn du kurz deinen Laptop anschaltest, kann ich das schnell für dich machen”
Hier denke ich noch, dass das eine Sache von fünf Minuten wird. Ich hab das schon zweimal für sie gemacht. Ich schmeiße RustDesk an und verbinde mich mit ihrem Laptop. Öffne Firefox, navigiere zu bahn.de und logge mich als sie ein. Tickets und Angebote, Deutschland-Ticket, jetzt buchen. Gültigkeit auswählen, persönliche Daten angeben (Warum muss man das als angemeldeter Nutzer eigentlich tun, wenn alle Daten schon im Konto hinterlegt sind??) und IBAN eintackern. So wie es bisher immer geklappt hat.
Innerlich widme ich mich schon wieder meinem Feddit-Feed, da erscheint eine nette kleine Seite. Sie fordert mich auf, die persönlichen Daten meiner Mom zu verifizieren. Die Optionen die zur Auswahl stehen: Irgendeiner Seite, deren Namen ich noch nie vorher gehört habe, die Login-Daten für das Online-Banking meiner Mom geben oder irgendeiner Seite, deren Namen ich noch nie vorher gehört habe, den Ausweis meiner Mom zeigen.
Warum. WARUM SEID IHR SO?? Allein der Fakt, dass man das Deutschland-Ticket nur als Abo kaufen kann und dass die DB bei der Bestellung ein Lastschriftmandat mit einhergehender, zwingend erforderlicher Bonitätsprüfung verlangt, lässt meinen eh schon zu hohen Blutdruck ins noch ungesundere Maß steigen.
Da ich keinen Bock habe, den Bestellprozess jetzt abzubrechen und das gleiche Prozedere morgen nach der Arbeit wiederholen zu müssen, versuche ich, meine Mom durch den Verifizierungsvorgang mittels Personalausweis zu leiten. Dazu sollte ich erwähnen, dass meine Mom in dem Maße technisch versiert ist, dass wenn ich ihr sage, dass sie ein Foto von ihrem Personalausweis machen soll, sie ihn flach an die Rückseite ihres Handys hält und sich aufregt, dass es nicht funktioniert. Kaum eine Minute später seufze ich leise, bitte sie, ihr Handy mit ihrem USB-Kabel an ihren Laptop anzustecken und starte Vysor. Nach einigem Hin und Her, wie eine Kamera denn nun funktioniert, kann es endlich losgehen.
Erster Versuch: Wir sind fast fertig, da höre ich durchs Telefon den Klingelton meiner Mom. Ein wenig Latenz später erscheint auch auf dem geklonten Handy-Bildschirm der Name “Andrea” [geändert] und zwei auf- und abspringende Telefonhörer. Meine Mom lehnt den Anruf ab, aber kurz bevor wir den Verifizierungsprozess abschließen können, sagt sie die verhassten Worte “warte mal kurz”, schließt den Browser und schreibt Andrea auf WhatsApp, dass sie gleich zurückruft. Joa. Zwei weitere Versuche und viele Nerven später haben wir es geschafft, sowohl die Vorder- und Rückseite des Ausweises sowie ein Selfie aufzunehmen. Statt mich nach der erfolgreichen Verifizierung zurück auf die Bahn-Bestellseite zu bringen, möchte mich die Seite auffordern, einen Account anzulegen. Diggah. Ich bete, dass ich keinen Account anlegen muss und gehe zurück zur Bahn-Seite, um nochmal den Verifizierungs-Button zu drücken. Gottseidank muss ich keinen Account anlegen und insgeheim bin ich froh, nebst AdBlocker nicht auch noch CookieAutoDelete bei meiner Mom installiert zu haben.
Der Bestellvorgang ist abgeschlossen, aber die Arbeit ist noch nicht vollendet. Natürlich muss ich das Ticket noch in der DB Navigator-App hinzufügen, weil es für die Bahn technisch zu anspruchsvoll wäre, ein mit dem Account gekauftes 49-Euro-Ticket direkt in der App hinzuzufügen. Nachdem ich das Ticket in der App eingepflegt habe, logge ich mich noch kurz ins Abo-Portal ein, um das Ticket direkt wieder zu kündigen. Schließlich will meine Mom es nur für einen Monat, aber ohne Abo keine Chance. Nach den ganzen Strapazen auf dem Weg hierher ist die Kündigung erstaunlich einfach. Kaum bin ich damit fertig, tönt schon wieder der Klingelton durch’s Mikrofon.
“Ich glaube, Andrea will mit dir reden. Es ist alles erledigt, ich geh dir aus der Leitung. Hab dich lieb!”
Eine halbe Stunde später dankt mir meine Mama über Telegram und ernennt mich zu ihrem Held des Tages. Ich lächle ein bisschen in mich hinein. Leider vermiest mir der Gedanke, dass nicht alle technik-unaffinen Menschen jemanden haben, der ihnen bei so etwas hilft, schnell wieder die Laune.
WER HAT SICH DAS AUSGEDACHT? WIE ZUM FICK SOLLEN OMA UND OPA SICH SO EIN TICKET BESORGEN, WENN SIE VIELLEICHT NICHT MAL EINEN COMPUTER ODER EIN HANDY HABEN? UND DANN NOCH DIESE GANZE FUCKING SCHIKANE MIT LASTSCHRIFT UND BONITÄTSPRÜFUNG UND IDENTITÄTSPRÜFUNG. ACH, UND EIN ABO MUSS ES AUCH ZWINGEND SEIN. WARUM HABEN WIR EIGENTLICH NOCH KEINE LACK-LIEFERENGPÄSSE???
Ich brauche noch nen Tee.
Kauf das Deitschlandticket einfach woanders, nicht bei “der” Bahn.
Es muss ein Abo-Vertrag sein, weil der Verkehrsminister das so vorgeschrieben hat. (Wenn man Politiker ein Produkt definieren lässt…)
Ich sehe das nicht so dramatisch. Bei Spotify oder Netflix regt sich auch keiner über ein Abo auf. Aber die Bahn, neeee pfui bäh.
Komischerweise verlangen die aber weder eine Bonitätsprüfung noch deinen Personalausweis.
Machen auch nicht alle Anbieter des Deutschlandtickets.
Aber die beklagte DB? Aber umso besser, wenn andere das nicht brauchen.
Krass bist du Mr Robot oder so? Du bist ja voll der / die Hacker (in)?
Hab ich irgendwas besonders “hackiges” gemacht? ^^’ Aber ja, ich studiere ein Fach im Bereich IT :)
Den Eltern erfolgreich per Remote-Zugriff geholfen, obwohl diese mitgeholfen haben, und die ganzen Sicherheitsvorkehrungen der Bahn umgangen, um trotz aller Widrigkeiten ein Ticket dort zu erstehen. Ich glaube, für solche Leistungen wird der Turing-Award verliehen.
Da bin ich echt froh, dass der Prozess bei der HVV sehr viel leichter ist als diesen scheiß bei bahn.de. Du kannst sogar eine Chipkarte bekommen, um das ganze Handylos zu machen, und bis die dann ankommt, bekommst du halt ein QR code den du vorzeigen darfst.
Das hört sich ziemlich gut an. Leider wird man zumindest das Abo wohl trotzdem nicht los.
Mhm bei der hvv gibts dazu zwei Möglichkeiten, entweder via app/kundenportal oder direkt in einer Servicestelle. :)
Das klingt echt so, als hätte der HVV ein gutes System. Nächstes Mal schicke ich meine Mom einfach nach Hamburg. :^)
Der KVV ist fast gleich gut. Da muss man aber die Chipkarte persönlich wieder zurück bringen wenn man das Ticket vor Ablauf des Jahres kündigt.
Es ist der absolute Wahnsinn, wie scheiße die Buchung des Deutschlandtickets über die Kanäle der Bahn gemacht ist. Da kann mir auch niemand mehr erzählen, dass die das nicht extra machen.
Neben der allgemeinen Nutzerfeindlichkeit bei der Buchung hatte ich auch schon viel Freude, als ich über die behämmerten Kündigungsfristen (zum 10. des Monats) belehrt wurde, indem ich am 23. ein Ticket kaufte, aber zwei bezahlen musste.
Die beste Lösung, die ich dazu bisher gefunden habe, ist 'ne App namens “mo.pla”. Damit hat die Buchung des Deutschlandtickets genau so easy funktioniert wie man es sich vorstellt und es auch bei der Bahn eigentlich Standard sein sollte. Kündigen lässt sich jederzeit bis zum Monatsende, alternativ kann man auch auf Knopfdruck für bis zu drei Monate pausieren. Das Einzige was mir noch fehlt, wäre eine anteilige Bezahlung für bereits angebrochene Monate, aber das wird die Tarifstruktur des Deutschlandtickets wohl nicht hergeben. Ansonsten top!
Warum es dazu allerdings eine Drittanbieter-App braucht, verstehe ich nicht. Es könnte alles so einfach sein.
Ich Weine immer noch leise wenn ich an das 9€ Ticket denke. Nicht nur wegen dem Preis. Das konnte man einfach kaufen. Und dann war das für einen Monat gültig. Das konnte man sogar ausgedruckt mitnehmen. Man munkelt gar man konnte das an Automaten kaufen!
Laminieren ging aber nicht.
Warum nicht?
Thermopapier. Das war danach komplett schwarz.
Ah bei dem Automatenticket. Macht Sinn.
Um das Abo kommst du nicht herum. Ebenso nicht darum, dass es immer einen Kalendermonat abdeckt - gibt also keine eigenen Zeiträume. So sind die Regeln für’s Deutschlandticket.
Wie genau Buchung und Kündigung funktionieren, hängt aber vom Anbieter ab. Und da gehen dann die wichtigen Unterschiede los und ein bisschen Recherche zahlt sich aus.
Persönlich nehm ich für mich und in der Familie mo.pla. Anmeldung einfach über die App und Bezahlung per Paypal. Dauert keine 5 Minuten. Kündigen kannst du jederzeit vor Monatsende. Oder du kannst pausieren. Also im Prinzip wie bei Netflix.y
Ist RustDesk gut? Ich benutze noch TeamViewer …
Ich mag RustDesk. Bis vor kurzem benutzte ich auch noch TeamViewer, aber die haben mir unterstellt, dass ich deren Programm kommerziell nutzen würde, weil ich mich ein- bis zweimal die Woche mit dem gleichen PC (dem Laptop meiner Mom) verbunden habe.
Die Permissions lassen sich deutlich besser verwalten und generell fühlen sich einige QoL-Feinheiten bei RustDesk einfach besser an.
Ich persönlich bin ja der Meinung, dass die DB wahrscheinlich von der Autoindustrie dafür bezahlt wird, so kacke zu sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Mein Tipp an der stelle zurück zum Flickenteppich der verkehrsverbünde. Die verkaufen die dinger auch und machen oftmals auch ihr eigenes ding. Meiner hat ne eigene app und hinterlegt das ticket auch automatisch.
Aber ja die abo nummer ist halt scheiße. Bei alten leuten die mit nem pc nicht klar kommen setzt man halt darauf dass die einmal karte nehmen und sie bis in alle Ewigkeit bezahlen.
Gute Tirade.
Fun fact: wenn man einen Bahn Business Account hat, kann man seinen Mitarbeitern sowas kaufen ohne jemals irgendwo eine Verifikation machen zu müssen. Klar, ergibt Sinn, aber ich finde es passt gerade hier.
Nur eine Sache…
Treasure
Bin ich nur alt oder ist das ungewöhnlich?
Ah, also genau wie bei der Schufa, wo kostenlose DSGVO-Auskünfte “aus Sicherheitsgründen” nur per Post verschickt werden, aber zahlende Kunden ihren Score online einsehen können.
Du bist nicht alt, keine Sorge. Ich hab nur meinen echten Namen mit meinem Nicknamen ersetzt, weil ich mich nicht unbedingt doxxen will. Meine Mom fängt Anfragen meistens mit meinem Namen an, daher hab ich das lieber ersetzt, statt meinen Namen komplett aus dem Satz zu entfernen.
Oooh das ist dein Nickname… Ich bin sehr beruhigt, danke!
Seitdem ich festgestellt hab, dass Voyager hier glaube ich immer nur den Accountnamen und nicht den Alias anzeigt, hab ich aufgehört, darauf zu achten, weil ich sonst nicht kapiere, wer wer ist und worum es geht.