[…]

Dennoch fühlen sich offenbar viele Menschen in Ostdeutschland abgehängt oder benachteiligt.

Diese Menschen vergleichen sich nicht mit ihrer eigenen Situation vor 20 Jahren, sondern mit einer völlig unrealistischen Vorstellung davon, wie es anderen geht. Empirisch gibt es zwischen der lokalen ökonomischen Situation und dem Anteil derer, die Rechtspopulisten wählen, kaum einen Zusammenhang. Die wirtschaftliche Lage vor Ort erklärt zwei oder drei Prozent Stimmanteil von Rechtsparteien, aber nicht über dreißig Prozent. Einen starken Zusammenhang gibt es dagegen dazwischen, wie man sich informiert, und ob man rechtspopulistisch wählt. Menschen, die Rechtspopulisten wählen, informieren sich überproportional über soziale Medien. Sie bewegen sich in Blasen mit einer verzerrten Darstellung der Realität.

[…]

Das heißt, die wirtschaftliche Unzufriedenheit in Ostdeutschland beruht auf Einbildung oder verzerrter Wahrnehmung

Sie beruht auf falschen oder verzerrten Vergleichen, die von Populisten noch befeuert werden. Viele Leute denken, vor allem Randgruppen, Flüchtlinge zum Beispiel oder Bürgergeldempfänger, würden viel zu gut behandelt, bekämen vom Staat alles nachgeworfen, während sie sich selbst alles hart erarbeiten müssten. Das ist eine verzerrte Wahrnehmung der Realität.

[…]

Worauf es ankommt, sind also weniger einzelne wirtschaftspolitische Entscheidungen - etwa hochsubventionierte einzelne Industrieprojekte - als eine stringente, klar kommunizierte Strategie?

Genau. Ich hoffe, dass dieses Wahlergebnis ein Weckruf ist für die Ampel-Koalition in Berlin, dass sie das eine Jahr nutzt, das sie noch hat bis zur nächsten Bundestagswahl, um in dieser Hinsicht besser zu werden, also konsistenter, kohärenter und strategischer. Das wäre wirklich ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Rechtspopulismus.

  • connaisseur
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    4 months ago

    Ich finds super dass mal wieder so getan wird, als wenn die hohen Wahlergebnisse für die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ausschließlich der Ampel in Berlin und ihrer Bundes-Politik zuzuschreiben wären. Wenn man sich die Wahlergebnisse von 2019 nochmals ansieht (zur Erinnerung - das war vor Corona, vor Ukraine-Krieg, vor hoher Inflation, vor Heizungsgesetz, usw.) dann waren damals schon 28% für die AfD in Sachsen und 23% in Thüringen das Ergebnis. Es wäre also schön wenn man einfach das Narrativ, die Ampel wäre an allem schuld, sein lassen würde und sich rein auf die strukturellen Probleme konzentrieren würde. Diese gibt es seit über 30 Jahren und solange sind sie bereits ungelöst - daran trägt vor allem auch die Union ihren Anteil. Blühende Landschaften und so.

    • JoKi
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      4 months ago

      Auch das Feiern der CDU dieser Ergebnisse ist unter diesem Blick ein Selbstbetrug. Die Partei rutscht in beiden Ländern seit Jahren ab. Und jetzt wird so getan, als seien die Ergebnisse für die Union, die laut Umfragen zu guten Teilen eine Stimme gegen die AfD war, ein immenser Erfolg.

    • ahto@discuss.tchncs.de
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      4 months ago

      Absolut richtig. Allerdings scheinen ja sehr viele AfD-Wähler und andere rechte Menschen tatsächlich davon überzeugt zu sein, dass die Ampel an allem Schuld ist.

      • JoKi
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        4 months ago

        Die sind halt ein schöner Sündenbock, weil sie auch tatsächlich Themen angehen und sich inhaltlich (leider zu oft zu viel) auseinandersetzen. Und neben der AfD hat nun auch die Union den Populismus entdeckt und erklärt trotz “Brandmauer” nach rechts die Grünen Hauptfeind, in der Hoffnung der AfD ein paar Krümel klauen zu können. Die eigenen Versäumnisse in 16 Jahren Merkel-Regierung können jetzt natürlich auch ganz einfach der Ampel in die Schuhe geschoben werden. Und schon fühlen sich die AfD-Wähler und solche die es werden wollen durch eine Volkspartei bestätigt und können gleich das Original wählen.

        Begleitet wird das ganze Schauspiel leider von einer Presse, die lieber skandalöse O-Töne der lautesten Polterer verbreitet statt Themen inhaltlich aufzuarbeiten, weil sie sonst in den durch Algorithmen befeuerten Sozialen Medien keine Klicks mehr bekommen.

        Es ist wirklich traurig und erschreckend.

        • addictedtochaos@lemm.ee
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          ·
          4 months ago

          bis jetzt haben die etablierten weit mehr verbrochen als die afd. maskendeals, agenda 20120, cum ex, bahn kaputt, solarindustrie nach china verramscht, stadteigene infrastruktur verkauft und so weiter-.

          • JoKi
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            4 months ago

            Und das obwohl sie im Vorfeld keine fragwürdigen Programme erstellt haben und vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurden. Da schlummert ja noch einiges Potenzial bei der AfD, abseits dessen was bislang bekannt ist. Und bezüglich ihres Personals scheint auch sie Verbrechern nicht abgeneigt.

      • addictedtochaos@lemm.ee
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        4 months ago

        leider. das ist der trick dabei. man könnte den afd wählern ja auch die cdu schmackhaft machen, zb mit höherem mindestlohn, billigem nahverkehrsticket, investition in kultur und schwimmbäder.

        aber nee, ein echter nazi geht halt nicht ins freibad zum bockwurst fressen. also muß man die wirstschaft noch mehr subventionieren, obwohl der nazi schon einen beschissen bezahlten job als gabelstaplerfahrer hat.

    • Jumi@lemmy.world
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      4 months ago

      So ist das halt wenn man so viele Tomaten auf den Augen hat dass man das Brett vorm eigenen Kopf nicht mehr sieht.

    • zaphod@sopuli.xyz
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      4 months ago

      Die große Gewinnerin war in beiden Wahlen eigentlich BSW und in Thüringen hat die AfD nochmal ordentlich dazugewonnen (~10%), große Verliererin war die Linke. Die Ampel-Parteien haben auch Verluste aber z.B. ist die SPD in Sachsen fast gleich geblieben und nur die Grünen hatten Verluste von 3,5%, FDP ist hier irrelevant, in Thüringen sind FDP (-3,9%) und Grüne (-2%) rausgeflogen, SPD hat Verluste von 2,1%. CDU ist in Sachsen wie die SPD fast gleich geblieben, und in Thüringen haben sie einen leichten Gewinn von 1,9%. Was man sieht ist, dass die Ampel-Parteien hier schon bei der letzten Wahl schwach waren, deshalb hatte es ja in Thüringen nur für eine Minderheitsregierung gereicht.