“Innenstadt ist leer, wir müssen was machen”, so unser Bürgermeister vor knapp zwei Jahren und prompt gab es ein Bürgerdialog mit Austausch von Vereinen, Bürgern, Interessierten…
Knapp 1 1/2 Jahre später sind tatsächlich Läden eröffnet worden. Kik, Tedi und Action!
GEIL. Wer braucht eine Boulder/ Kletterhalle, die nächste ist ja nur 48 KM entfernt? Wer braucht schon ein Laden welches den täglichen Sportbedarf unserer Region abdeckt? Anstelle von Läden mit Schwerpunkt Outdoor und Sport, vor allem Sportarten die in unserer Region häufig ausgeübt werden, wurde uns ein weiterer Cáfe gegönnt. Selbstverständlich gibt es bereits vier Kaffeeläden direkt daneben.
Innenstädte sind nicht mehr wie vor 14 Jahren. Was verstehen die verantwortlichen daran nicht? Man kauft Videos, Spiele etc. überwiegend digital. Wir brauchen keine Erweiterung unseres Müller Markts mit Multimedia Abteilung.
Also unsere Innenstadt ist einfach nur tot und wird tot bleiben, die verstehen selbst mit Bürgerdialog nicht was benötigt wird und was nicht.
Im Bürgerdialog habe ich folgendes versucht zu erklären: Unsere Innenstadt ist “tot”, deshalb gibt es aktuell viele Parkplätze. Seitdem Müller Markt usw. umgezogen sind ists da tot. Will heißen, wenn wir die Innenstadt beleben, beleben wir den Verkehr. Man muss erst ordentliche Radwege zur Innenstadt und ordentliche Parkplätze außerhalb schaffen, aber nicht zu weit, sodass die Leute trotzdem dann zu Fuß kommen (zur Not Shuttle Bus, weil Schwebebahn Sci-Fi ist)
Ich schreibe hier weil ich heute erfahren habe dass neben Kik und Tedi noch ein Ramschladen dazu kommen wird und es mich einfach nur noch nervt.
Warum gibt es dann überhaupt Bürgerdialoge und warum versucht man Innenstädte zu “beleben” wenn man nur an solche Läden vermietet, allgemein Menschen mit Ideen nicht unterstützt, z. B. Mieterlassung bis was erwirtschaftet wird… Wir haben 8 leere Räumlichkeiten. Warum nicht umsonst “vermieten” und schauen ob es was wird und nach ca. 6 Monaten dann Miete verlangen je nach dem wieviel so ein Laden erwirtschaftet?
Eine 4-Tage Woche würde auch schon dazu führen, dass man überhaupt mal in die Innenstadt kommt. Die meisten Arbeitenden schaffen das höchstens mal am Samstag, da hat aber keiner Bock drauf. Ist ja schön und gut, wenn viele Studenten in die Innenstadt kämen (deine Vorschläge klingen ein wenig studentenorientiert), aber so richtig viel Kohle haben die meist nicht. Auch würden höhere Gehälter und weniger Steuerbelastung helfen, damit Geld in die Kassen der Läden gespült wird. In Deutschland geht wahnsinnig viel schief. Es hilft auch nicht, dass die Immobilienbesitzer sich einfach nicht anpassen wollen.
Ich war neulich mal in Linz, dort machte jedes Geschäft unter der Woche um 18:30 zu. Selbst der dm. Da kann hald kaum einkaufen wenn man selbst arbeitet.
Gibt es denn überhaupt Mieter mit passenden Geschäftsideen, die es sich leisten können einen Versuchsballon für 6 Monate zu starten? Und sind die Immobilienbesitzer bereit ihre Objekte kostenfrei abzugeben und damit ihren anderen Mietern vor den Kopf zu stoßen?
Und die Innenstadt von Verkehr befreien führt auch nicht automatisch zu mehr Angeboten. Wir haben eine schön gestaltete Fußgängerzone mit wirklich vielen Parkmöglichkeiten rundherum. Dennoch ist diese vor allem für Leerstand bekannt, weil ein Innenstadtkonzept halt doch etwas komplexer ist.
So sehr ich deinen Unmut verstehe, die Stadt kann auch nur versuchen Ideen aus Bürgerdialogen umzusetzen. Und neben überschaubaren Interessen aus dem Gewerbe kämpft sie nicht selten auch mit sturen Stadträten, die in so “utopischen” Vorstellungen die gute alte Zeit gefährdet sehen.
Ist leider alles nicht immer so einfach wie man es sich wünscht oder vorstellt.
Ich verstehe deinen Frust, aber: Bist du denn sicher, dass du mit den tatsächlich verantwortlichen Menschen gesprochen hast?
Natürlich kann die Stadt darauf hinwirken, dass es irgendwo einen Globetrotter oder Decathlon oder sowas gibt und gezielt an das Unternehmen verkaufen - aber nur, wenn das Grundstück in ihrer Hand ist. Was die Stadt nicht tun kann, ist, privaten Vermieter*innen vorzuschreiben, an wen sie zu vermieten haben bzw. privaten Outdoor- und Sportzubehörvertriebsunternehmen, wo sie ein Geschäft zu eröffnen haben.
Über den Flächennutzungsplan hat die Stadt schon Einfluss darauf, welche Art von Läden wo zu finden sein sollen und wo nicht.
Soweit ich weiß steht da doch nur Gewerbe-/Misch-/Wohngebiet drin, aber nicht, welche spezifische Art von Einzelhandel dort zu finden sein soll.
Soweit ich weiß geht das auch deutlich differenzierter. Hier ein Beispiel zu Shopping-Centren:
Der Flächennutzungsplan stellt die beabsichtigte Art der Bodennutzung gemeindeweit in den Grundzügen dar, die bauliche Nutzung im Allgemeinen als Bauflächentypen, ohne nähere Spezifikation. Anders bei großflächigem Einzelhandel: Hier wird zur Vermeidung negativer Auswirkungen meist schon eine höhere Regelungsdichte angelegt, in Gestalt von genau definierten Sonder-Baugebieten mit Zweckbestimmung, zulässigen Sortimenten und Verkaufsflächenobergrenzen. Die bauleitplanerische Feinsteuerung erfolgt dann auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung durch daraus entwickelte Bebauungspläne.
Einen Text zu Innenstädten hab ich auf die Schnelle nicht gefunden, erinnere mich aber insbesondere, wenn es um die Ansiedlung von Euro-Läden oder Shisha-Bars ging, dass auch im FNP festgelegt sein kann, wo diese zulässig sind und wo nicht.
Interessant, das wusste ich tatsächlich nicht! Bleibt die Frage ob das für Bestandsgebäude unmittelbar für die Vermieter*innen gelten kann.
Unsere Innenstadt ist “tot”, deshalb gibt es aktuell viele Parkplätze.
Eher umgekehrt, die Innenstadt ist tot weil es da so viele Parkplätze (und Straßen) gibt und damit die Innenstadt kein schöner Aufenthaltsort ist.
Wir haben eine Fußgängerzone, die außerhalb der Markttage eher überschaubar gefüllt ist. Die Hauptverkehrsstraße durch den Ort ist da deutlich belebter. Aber dort gibt es auch einige Bereiche, die Platz für Fußgänger bietet.
Wie so oft mach es die Mischung und das Konzept. Gerade bei Kleinstädten, die kein gut ausgebauten Nahverkehr haben. Schöne Aufenthaltsorte sind wirklich wichtig, diese müssen allerdings auch einfach zugänglich sein.
Finde auch, dass die Innenstädte den Menschen zurückgegeben gehören. Das würde mehr bringen als einfach nur billiger Konsum der eh schon abgelehnt wurde.
Wenn ein paar der Galeria Gerippe, die aktuell in großen Innenstädten vor sich hin bröseln zu einem Indoor Sportpark mit ein zwei kleinen Cafés / Erfrischungskiosks und einigen ruhigen Arbeits- und / oder Leseecken umgebaut würde, wäre das schon krass geil glaube ich. Wenn das soziale und Freizeitangebot da ist kaufen die Leute auch anderen Kram entweder weil sie eh schon da sind oder weil hunger / durst.
Es fehlen auch Wohnungen in der Innenstadt. Natürlich is sie tot wenn da niemand lebt
Zu dem Thema fand ich die Folge vom Dissens-Podcast „Shopping Malls zu Sorgezentren“ sehr interessant: https://overcast.fm/+PyGn5HASI
Da geht es auch darum, dass Innenstädte nicht mehr ausschließlich für Konsum gebraucht werden, sondern ein größerer Teil für Pflege, Sorge und Begegnung genutzt werden kann.
Yay, etwas zu dem ich etwas sagen kann. Meine Stadt geht auch unter, Innenstadt mäßig und so.
Um dagegen etwas zu tun hat die Stadt sich durch eine Förderung “Pioniere” aus der Großstadt geholt. Die sollten ein Jahr lang hier leben und Projekte aufbauen, war auch ganz schön dass Jahr, aber was wirklich hängen geblieben ist, dass war der Stadtgarten der auf einem gepachteten Grundstück aufgebaut wurde. Der Besitzer wird die nächsten paar Jahre dort sowieso nichts bauen aufgrund hoher Baukosten, und die Bewohner haben jetzt ein kleines Stück grün in der Einkaufsstraße.
Nebenbei wurden die Stadtmittmacher gegründet, bei welchen ich auch mit dabei bin. Wir haben einen leerstehenden Laden erhalten, und dieser wird jetzt jeden Mittwoch Nachmittags von uns mit Kaffee und Kuchen bewirtet (alles kostenlos, wir wollen ja Leute anlocken), einer Mittmach Werkstatt im Keller, und einem öffentlichen Kleidertausch im Hinterraum. Sonst werden die Räume zur Untermiete angeboten, um zum Beispiel es Vereinen und anderen Interessenten es zu erlauben günstig und einfach Räumlichkeiten zu finden.
Unser Projekt läuft bisher wirklich gut, und wir waren sogar schonmal im Fernsehen im MDR, als wir einen großen Kleidertausch mit Kuchen Basar veranstaltet haben. Den Beitrag findest du in der Mediathek wenn du nach Mittweida suchst.
Edit: hab den Beitrag gefunden:
Find ich großartig. Woher habt ihr das Konzept und wie wird das (va die Miete) finanziert? Hätte auch Interesse für meinen Geburtsort, der ausblutet.
Wir haben das große Glück dass ein Unternehmen die Miete für uns im ersten Jahr finanziert. Allerdings wurde das Pionier Projekt vollständig durch Fördergelder finanziert, und viele unserer jetzigen Projekte außerhalb der Ladenräumen werden ebenfalls durch diese ermöglicht. Dort würdest du also vermutlich am ehesten dein Glück finden.
Super, danke für das Update! Ich höre mich Mal um…
Warum gibt es dann überhaupt Bürgerdialoge und warum versucht man Innenstädte zu “beleben” wenn man nur an solche Läden vermietet, allgemein Menschen mit Ideen nicht unterstützt, z. B. Mieterlassung bis was erwirtschaftet wird… Wir haben 8 leere Räumlichkeiten. Warum nicht umsonst “vermieten” und schauen ob es was wird und nach ca. 6 Monaten dann Miete verlangen je nach dem wieviel so ein Laden erwirtschaftet?
Das Problem hier ist, dass die Realität komplexer ist. Zum Beispiel vermietet die Stadt ja die Gewerbeflächen im Zweifelsfall nicht, sondern irgendein privater Vermieter, irgendein Immobilienfond. Und der hat ganz häufig das Problem, dass er solche Mieterlasse oder Mietsenkungen gar nicht machen kann, weil das sein ganzes Wirtschaftsmodell zerstört. Wenn er etwa die Mieten senkt, senkt er auch seine Renditeprognose für das Objekt. Muss vllt. weitere Sicherheiten für den Kredit hinterlegen. Die coolen “Sozialmieter” protestieren laut, wenn du dann einen zahlungskräftigen Mieter findest und sie rauswirfst. Und so weiter und so fort - daher ist es erschreckenderweise manchmal in einer verwirrenden Logik profitabler das leerstehen zu lassen.
In NRW gibt es dafür städtische Programme die Leerstand mietet und dann stark vergünstigt weitervermietet. Ich halte das für eine krasse Subvention von überhöhten Mietpreisen, eigentlich müssten die ja von alleine sinken bis wieder jemand mietet, aber es könnte schon helfen auch kreativere Ideen umzusetzen als Cafe oder Müller.
Ich bin ja für Zwangsenteignung. Sollte mMn sowieso keinen Großgrundbesitz bzw. Großimmobilienbesitz geben. Fläche ist ein natürlich beschränktes Gut und darf nicht als Spekulationsobjekt dienen oder sich im Besitz weniger akkumulieren.
Unsere Innenstadt ist “tot”, deshalb gibt es aktuell viele Parkplätze. Seitdem Müller Markt usw. umgezogen sind ists da tot. Will heißen, wenn wir die Innenstadt beleben, beleben wir den Verkehr. Man muss erst ordentliche Radwege zur Innenstadt und ordentliche Parkplätze außerhalb schaffen, aber nicht zu weit, sodass die Leute trotzdem dann zu Fuß kommen (zur Not Shuttle Bus, weil Schwebebahn Sci-Fi ist)
Also dieser Argumentation kann ich nicht folgen. Irgendwie fehlen da ein paar Glieder in der Argumentationskette.
Mit den Videospielen hast Du recht, die werden Online gekauft. Aber warum gegen Kik wettern? Klamotten kaufe ich zumindest nicht online (auch nicht bei Kik, aber die haben ja ihr Klientel).
Ich glaube, das Problem liegt an den Mieten und Margen. Es können sich nur noch wenige Sparten die hohen Mieten leisten: Gastro, Mode, Apotheken, Optiker, Akustiker, Ramschläden. Bevorzugt natürlich Ketten.
Vielleicht muss man die Innenstadt einfach eine Weile tot lassen, bis die Immobilienbesitzer der Innenstädte merken, dass sie langfristig keine Mieter mehr finden. Dann “regelt das der Markt” irgendwann mal.
Wäre gut, wenn die Kommune Gebühren für unvermietete Läden erhöbe. Dann regelt es sich vielleicht schneller. Aber ob Kommunen das dürfen, weiß ich nicht.
Wenn es nur eine Steuer auf Eigentum gäbe, sodass man gezwungen wird mit dem Eigentum was zu machen weil es sonst zur finanziellen Last wird