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Digitalzwang für die Unternehmen und Behörden, ja.
Zwang für den Nutzer, nein.
Es wäre so einfach…
Es ist ein bisschen wie mit dem Bargeld. Digital hat meist viele Vorteile und ist für viele einfach bequemer. Aber es gibt gravierende Nachteile die man in Kauf nehmen muss. Von daher ist es sinnvoll, wenn hier die Wahlfreiheit über Regulierung erzwungen wird.
Ich zahle seit guten 10 Jahren ausschließlich digital. Magst du mir mal verraten, welche gravierenden Nachteile ich seitdem nicht mitbekommen habe?
Vollständige Überwachbarkeit und Unterbrechbarkeit all deiner Zahlungsströme.
Ließe sich digital auch anders verwirklichen. Das ist kein analoger Vorzug, sondern einfach ein Missstand. Deswegen ist Bargeld aber nicht die Zukunft, sondern eine kryptologische Referenz, an der sich diesbezüglich die Zukunft messen lassen muss.
(Und nein, ich meine damit nicht Bitcoin, kryptologisch ist hier im wortwörtlichen Sinne gemeint)
Ließe es vielleicht, ist es aber nicht. Und solange das so ist, sollte das Bargeld als Option existieren. Bitte erst die echte Alternative bauen, dann über Abschaffung des alten Systems nachdenken.
Eine “echte Alternative” gibt es schon lange und in vielen Formen, deshalb fordern ja einige die Abschaffung überhaupt erst. Prepaidbezahlmittel und - auch, wenn es unsympathisch ist - Cryptowährungen würden mir da einfallen. Ansonsten gibt es auch Dinge dazwischen, zum Beispiel virtuelle Kreditkarten und allerhand Dinge, die ich wahrscheinlich gar nicht alle kenne. Such es dir aus.
Prepaidbezahlmittel
Was wäre das für dich? Wer bietet das an? Wer akzeptiert das? Welchem Konzern muss ich dafür vertrauen? Wie ist garantiert, dass eben keine Informationen über irgendjemandes Server laufen wenn ich was bezahle? Wie ist garantiert, dass sich das auch in Zukunft nicht so einfach ändern kann (vgl. Pre Paid Simkarten früher und heute)? Funktioniert das zuverlässig in der Hütte im Wald im Funkloch? Kann ich damit meinem Kind 2€ Taschengeld in die Hand drücken so wie jetzt? Kann ich das meiner Mutter erklären, ohne dass ich jeden zweiten Samstag hin fahren und irgendwas für sie fixen muss?
Kryptowährungen sind nicht “unsympathisch” sondern offensichtliche Pyramidensysteme zum abzocken von Leichtgläubigen. Wer da sein Geld reinsteckt, dem ist nicht zu helfen.
Ich bin mir ja nicht so ganz sicher, ob Bargeld wirklich der beste Vergleich ist. Bürokratie, um die es hier ja geht, ist ja im Endeffekt eine riesige Wenn-Dann-Schleife. Wenn deine Eltern nachweislich unter Summe x verdienen und wenn du weniger als Y€ auf dem Konto hast und wenn du an einer Hochschule eingeschrieben bist und wenn du in Regelstudienzeit bist, dann hast du Anspruch auf Bafög. Eine gut gemachte Digitalisierung bringt dir genau das - quasi automatische Bürokratie, die instant entscheidet. Wenn man solche Systeme mal erlebt, dann merkt man, wie praktisch sie sind. Dann klickst du dir deinen Krams online ohne aufs Amt zu müssen und kriegst auch direkt deine Antwort.
Wenn du dir aber noch analoge Teilprozesse oder ähnliches gönnst, dann klappt genau das nicht. Und wenn Oma Frieda dann halt trotzdem ihren Antrag in Sütterlin auf Papier abgeben will, dann auch nicht.
Ich bestreite nicht, dass es digital in der Regel mehr Komfort bieten kann. Das rechtfertigt aber keinen Zwang, wenn das mit Nachteilen verbunden ist. Man kann problemlos gut funktionierende digitale Systeme bauen und dennoch Alternative anbieten. Das ist aber in der Regel nicht das Ziel, weil es mit Kosten verbunden ist. Digizalzwang ist hier für den Anbieter viel bequemer. Daher ist hier Regulierung die einzige Möglichkeit den Verbraucher vor Entscheidungen zu seinem Nachteil zu schützen.
Der Punkt ist ein anderer: Wenn du ein neues System aufbauen willst, dann musst du irgendwann das alte System kappen. Denn sonst betreibst du bis in alle Ewigkeiten zwei Systeme.
Wieso? Wenn das neue System das alte System vollständig ersetzt, dann muss das alte System in einer kovarianten Transformation über dem neuen System abzubilden sein. Nennt sich Rückwärtskompatibilität.
Im Juni 2023 gab es die meines Wissens weltweit erste Volksabstimmung über ein “Recht auf ein Offline-Leben”. Im Schweizer Kanton Genf stimmten 94% der Wahlberechtigten dafür.
Das Recht auf digitale Integrität wird nun in die Verfassung des Kantons Genf aufgenommen. Andere Schweizer Kantone arbeiten seither ebenfalls daran, ihre Gesetze anzupassen.
Privatsphäre spielte bei der Abstimmung dabei eine geringere Rolle und bei weitem nicht die Hauptrolle. Privatsphäre ist nur ein Symptom für das tiefere Problem eines überwachungsgetriebenen Geschäftsmodells, und das ist leider heute der Kern des Internets.
Für die Menschen steht bei der Digitalisierung ihrer Daten viel mehr auf dem Spiel als ihre Privatsphäre. Wenn Daten von Menschen auf offenen Märkten gehandelt werden, bedroht dies die Sicherheit dieser Menschen, die Demokratie, verstärkt bestehende Formen von Ausgrenzung und Ungleichheit und schafft neue, führt zu Verfolgung, psychischen Gesundheitsproblemen und vieles mehr - je nachdem, wer über diese Daten verfügt, wer gerade regiert, welche Zwecke von diversen Interessensgruppen verfolgt werden.
Ein ‘gläserner Mensch’ führt sehr leicht zu einer Bürokratie, die unser digitales Selbst mit weit weniger Respekt und Rücksichtnahme behandelt als unser physisches Selbst.
Deshalb stellte auch die Genfer Verfassungsänderung nicht die Privatsphäre in den Vordergrund, sondern ein viel größeres Konzept, nämlich dass der ‘digitalen Integrität’, dass nämlich unser digitales Selbst das gleiche Maß an Anerkennung und Schutz verdient wie unser physisches Selbst, sowohl vor kommerziellen als auch vor administrativen und staatlichen Eingriffen. Denn unser digitales Leben hat einen sehr starken Einfluss auf unser physisches Leben, der künftig wohl noch stärker wird.
Deshal votierten die Schweizer auch mit überwältigender Mehrheit für ein Recht auf ein Offline-Leben.
Meiner persönlichen Meinung nach ist das auch starkes Indiz dafür, dass den Menschen sehr wohl die Risiken der Digitalisierung bewusst sind und für eine Alternative votieren, wenn sie eine Wahl haben. Das in manchen Foren transportierte Narrativ von den ‘Normalos’ - also die grosse Masse an Leuten, die vereinfacht ausgedrückt jede Google-App runterladen ohne darüber nachzudenken - gibt es offenbar so nicht. Wir müssen aber natürlich Alternativen schaffen.
Mein Zugang zu diesem Thema ist zwar umfassender als in dieser Petition, aber das Anliegen ist dasselbe und vielleicht will das jemand unterstützen: https://righttooffline.eu/Unterstutzen-Sie-den-offenen-Brief-als-Burger
Hinzugügung für Wisschenschafter/-innen oder jene, die mit einer Organisation unterstützen wollen (der Link oben ist für Privatpersonen): https://righttooffline.eu
Gründen wir noch gleich eine Organisation für ein Leben ohne Geld.
Der Zwang für alles Mögliche verfügbares Kapital zu haben schließt nämlich viele aus.Edit: Um das klarzustellen, ich mache mich darüber lustig, weil ich die Begründung für unsinnig halte.
Digitalzwang schließt viele Menschen aus: alte oder kranke Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit geringem Einkommen
Ein digitaler Behördengang ist idR für alte, kranke oder behinderte Menschen deutlich einfacher als sich physisch ins nächste Rathaus zu schleppen und dort dann eine halbe Stunde darauf zu warten, dass Frau Müller jetzt endlich Zeit hat.
Für Leute mit Behinderung der Hand-/Armmotorik, Leseschwächen etc. kann man digital wesentlich leichter mit Eingabehilfen, Zoomfunktionen, Farbenblindmodus,… entgegenkommen als beim Ausfüllen von Formularen mit abgegriffenen Kulis.
Und für geringe Einkommen kann man Laptops oder Handys wie bereits zB Kühlschränke in die vom Bürgergeld geförderte Mindestausstattung aufnehmen.Leute, die besonders schwer behindert sind und aktiv Hilfe von Anderen brauchen, brauchen diese auch bei analogen Prozessen.
Besonders bei der Nutzung von öffentlicher Infrastruktur wie Post, Bahn oder Gesundheitsversorgung und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben müsse es analoge Alternativen geben
Was soll das konkret heißen? Analoge Stempelanlagen für Bahntickets statt digitalen Kartenlesern? Oder sind hier Menschliche Ansprechpartner gemeint?
DAS wäre nämlich eine völlig andere Forderung.Ja, genau. Wenn Du ein Ticket willst oder zum Arzt musst, dann musst Du eben Deine Daten hergeben. Sowas fördert dann auch die Macht einiger weniger Konzerne, die mit den Daten der Menschen handeln.
Was soll ich denn machen, wenn ich kein Handy hab. Den Kommentatoren nach, die dagegen sind.
Man könnte zum Beispiel PCs in den Bürgerbüros aufstellen, dann hat jeder Zugang, auch ohne privates Handy oder PC. Außerdem könnten Leute, die damit nicht klarkommen so um Hilfe fragen.
Ich denke, was viele hier falsch verstehen ist, was es ein “Recht auf ein analoges Leben” bedeutet und was nicht.
Es bedeutet, dass man Dienstleistungen AUCH analog in Anspruch nehmen darf, nicht muss. Es bedeutet nicht, dass Behörden und Unternehmen die Prozesse, die hinter diesen Dienstleistungen stehen, auch analog abbilden müssen. Die analoge Schnittstelle zwischen einer Person und Behörde/Unternehmen/etc. soll erhalten bleiben.
Ob die Daten einer Person für einen Antrag per Onlineformular oder per Formular auf Papier (das im Optimalfall dann gescannt und die Daten automatisch per Texterkennung ausgelesen werden) eingereicht werden, ist egal. Digitalisierung bedeutet (für mich) vornehmlich, dass durch die digitale Abbildung der Prozesse im Hintergrund Effizienzsteigerungen erzielt werden sollen: Dass Person A in Behörde X die Akten nicht mehr zu Person B in Behörde Y per Post schicken muss. Woher die Information stammt, ist irrelevant, solange sie genau definiert und vollständig ist.
Umgekehrt, ob jemand die Antwort auf den Antrag lieber per Post oder per Onlineportal bekommen möchte, ist aus Sicht des digitalen Prozesses irrelevant. Ob hinten eine E-Mail oder ein Brief herausfällt, ist rein eine Frage der Automatismen. Finanzämter verschicken jeden Tag hunderte, wenn nicht tausende Briefe. Da sitzt heutzutage niemand mehr und befeuchtet die Briefmarken per Hand/Zunge. Das passiert mit Maschinen, wo vorne das leere Papier eingelegt wird und hinten der verschlossene Brief herauskommt.
Was viele in Bezug auf Digitalisierung nicht verstehen ist, dass wir nicht die x-te App brauchen, die genau eine Sache macht, sondern offene Schnittstellen zwischen den Systemen, um durch den Datenaustausch Synergieeffekte zu erzeugen. Und nochmal: Ob diese Daten zuerst per Online- oder Papierformular ins System gelangt sind, ist für die Ziele der Digitalisierung irrelevant.
Es bedeutet, dass man Dienstleistungen AUCH analog in Anspruch nehmen darf, nicht muss. Es bedeutet nicht, dass Behörden und Unternehmen die Prozesse, die hinter diesen Dienstleistungen stehen, auch analog abbilden müssen. Die analoge Schnittstelle zwischen einer Person und Behörde/Unternehmen/etc. soll erhalten bleiben.
Doch doch, das habe ich absolut so verstanden und ich bin absolut dagegen.
Wenn das kein /s war, dann hast Du das falsch verstanden.
Nein, das war kein /s und auch nicht falsch verstanden. Ich habe hierzu einfach eine sehr unpopuläre und parteiische Haltung. Ich bin für die komplette Abschaffung sämtlicher analoger Prozesse und gegen das Verschleppen von sinnvollen neuen Strukturen, weil man meint, digital einfach alles 1:1 abbilden zu müssen, was analog existiert. Mag man nicht teilen, aber das halte ich aus.
In dem Fall müsste es eine garantierte staatliche Versorgung mit Smartphones und Internet geben.
Es gibt ein Grundrecht auf Internet => klick
Es gibt auch keine staatliche Versorgung mit Papier und Stift. Oder der ganzen Lektüre, die man für das Ausfüllen dieser braucht. Trennen wir uns doch bitte von diesen Argumenten, wir leben in 2024, nicht 1974.
Wenn ich mit Ämtern zu tun habe, gibt es eine staatliche Versorgung mit Papier = Formularen, einschließlich der dafür nötigen Lektüre = Anleitungen. Zumindest war das bisher so. Und ein Stift kostet ein paar Cent, nicht ein paar Hundert Euro + 7,99 pro Monat mit Zwangsneukauf alle 3-5 Jahre. Ganz abgesehen davon, dass ich mir jederzeit vom Nachbarn oder auch vom Amt einen Stift leihen könnte, ein internetfähiges Endgerät für sensible Daten eher nicht.
Ja, wir leben im Jahre 2024, und es gibt immer noch Obdachlose, psychisch Kranke, Langzeit-Harz IV bzw Bürgergeldempfänger und Rentner, die sich diese zusätzlichen Kosten schlicht nicht leisten können. In der letzte Erhebung waren das 2,6 % der > 16 jährigen.
Dazu kommen die, die keinen haben aus – vor einem Jahr 6 % der über 16 jährigen.
Dazu kommen all die, die zwar einen Zugang, aber keine geeigneten Arbeitsmittel haben.
Um digitale Dokumente mit einer ähnlichen Arbeitsqualität wie mit Papier und Stift am Esstisch ausfüllen zu können bräuchte ich einen gut eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz mit mindestens 21" 16:9 Monitor, um meine Quelldokumente und mein Zielformular nebeneinander darstellen zu können. Auf Smartphone oder 15" Laptop ist diese Arbeit eine Qual. Solange mir die Regierung nicht adäquate digitale Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, will ich bei Papier und Stift bleiben.
Sorry – ich bin gerade gegenüber dem Thema Digitalisierung ziemlich allergisch. Ich weiß, dass eine gut gemachte Digitalisierung von Arbeitsprozessen auf vielen Ebenen vorteilhaft ist. Ich habe das selber da erlebt, wo ich für eine gute Digitalisierung sorgen konnte – und ich habe es zu oft erlebt, dass Digitalisierung die Arbeitsabläufe unnötig verkompliziert, wenn sie schlecht gemacht ist, und dass etwaige Arbeitserleichterungen oder Effizienzsteigerungen sofort durch neue Kontrollmöglichkeiten und Zusatzaufgaben zunichte gemacht werden. Und in beidem sind wir Deutschen leider zu gut.
Sorry, aber die digitale Singularität mit Mind-Upload ist noch etwas hin.
Zwischen beiden Extremen wäre aber denke ich doch noch etwas Platz für Progressivität, nicht wahr?
Sagt Herr “Ich bin für die komplette Abschaffung sämtlicher analogen Prozesse”. :)
Bin da zwiegespalten. Ich verstehe die Argumentation, aber gleichzeitig ist es nunmal so dass nicht jeder denkbare digitale Prozess auch analog abbildbar ist.
Beispiel: Corona-Warn-App. Vielleicht das Paradebeispiel dafür, wie ein digital-native entworfener Prozess aussehen kann. Die Funktionsweise der CWA ist analog schlichtweg nicht abbildbar.
Analog gab es die Luca App. Diese hatte den bestehenden analogen Prozess “in digital gegossen”. Da ist ein paraleller analoger Prozess natürlich möglich, dafür hat er halt nicht funktioniert.
Ich glaube wir werden immer mehr digital-native Prozesse etablieren, für die es keine analogen Alternativen geben wird. Oder wir verschließen uns diesen Aufgrund der im Artikel genannten Bedenken. Schwierig.
Kommt drauf an, was Du mit “analog” meinst. Bzgl. CWA gab es z.B. Bastelprojekte, um die Funktionalität auf einem dedizierten Gerät aus Billigteilen nachzubilden. Wenn der Staat sowas unterstützt und als Alternative zum App-“Zwang” kommuniziert hätte, hätte ich das das z.B. auch gut gefunden. Hätte man wahrscheinlich für <10€ anbieten können. Ich glaube eine bessere Formulierung wäre eine Forderung auf ein Recht, nicht vernetzt sein zu müssen.