Oftmals wird ja argumentiert dass bei der maskulinen Form die weibliche miteinbezogen ist, umgekehrt aber regt es auf. Also kann es nicht ganz unbedeutend sein.
Ich finde es einen spannend Denkansatz und die Reaktion zeigt dass darüber durchaus gesprochen werden muss.
Die Motivation hinter den ganzen Genderansaetzen ist zwar gut, aber alle Ansaetze sind so extrem deutsch: Verkompliziert und fuer jeden umstaendlicher.
Ich fand die Idee von Alicia Joe am besten:
Das ist einfacher fuer alle, macht die Sprache mMn sogar einfacher fuer Fremdsprachler und benoetigt keine weirden Wortneuschoepfungen. Vorallem ist es fuer Gegner schwerer sich dagegen zu bekennen, weil den bisherigen Standard als Grundform weiter benutzt. Ein Hater muss also mehr Aufwand/Worte reinstecken als ein Supporter, statt andersrum.
Es wäre schon praktisch eine Kurzform für die Geschlechter zu haben.
Neutral als kürzeste form und ein -in oder -er fürs Geschlecht.
Ein Bäcker Die Bäckerin Der Bäckerer
Diese Form zu Gendern würde einfach heißen in eine Zeit zurückzukehren, bevor wir damit angefangen haben.
Wodurch die ganzen Probleme wieder auftreten, wegen derer wir damit angefangen haben.
Wie Grundformen “gemeint” sind ist da wirklich zweitrangig. Es ist oft genug nachgewiesen worden: In einer Gesellschaft wo es sprachlich nur Krankenschwester und Arzt gibt, da werden auch mehr Frauen Krankenschwester und mehr Männer Arzt.
Sprache formt Konzepte, Konzepte formen Verhalten. Nicht zu gendern heißt eine Gesellschaft zu fördern, in der konzeptuell eine Geschlechter- und Rollentrennung verankert wird.
Citation please.
Warum sind laut OECD dann Schweden und UK vor uns bei der Anzahl von weiblichen Ärzten obwohl nur eine generische Form verwendet wird? Und wieso gibt es diese Diskussion in solchen Ländern nicht wenn es so klar erwiesen ist? Es kommt ständig das Argument, dass es laut Studien klar ist, aber ich habe noch nie eine gesehen, die wirklich andere Länder untersucht.
Hier ein schöner Übersichtsatikel der Bundeszentrale für politische Bildung mit vielen, direkt nachprüfbaren wissenschaftlichen Quellen (einfach auf die Zitationsnummern klicken).
Und zu deiner Frage nach Schweden und der UK hier noch ein interessantes Paper, das Geschlechtergerechtigkeit auf der ganzen Welt mit gegenderter Sprache in einen Zusammenhang setzt. Aus dem Abstract:
Danke für die Links!
Zu dem Paper: Würde das aber nicht dafür sprechen das Femininum abzuschaffen? (Also das was @r1veRRR@feddit.de vorgeschlagen hatte?) Ich persönlich finde das untergehen von Wörtern wie “actress” (en) oder “lärarinna” (swe) sehr angenehm.
Von dem Problem abgesehen, dass es noch schwieriger sein dürfte, Begriffe abzuschaffen, die es schon gibt, als neue zu erfinden - mindestens eine Generation an Frauen müsste sich damit abfinden, sprachlich ausgeschlossen zu werden - wird ziemlich genau diese Idee in dem Paper diskutiert. Hier der relevante Absatz (plus etwas Kontext, um zu verstehen, wie argumentiert wird) (TL;DR am Ende):
Kurz gesagt: Bewusstes Gendern führt zu mehr konzeptueller Gleichberechtigung als Generika und genderlose Sprache. Weiterer Kontext nachzulesen auf Seite 5 des verlinkten Dokuments, bzw. S. 271 in der Seitennummerierung des Papers.
Weil im Englischen der Artikel “The” sowohl männlich, als auch weiblich, als auch sächlich ist, ist das kaum vergleichbar. Du kannst damit sowohl “Der Doktor” als auch “Die Doktor” sagen.
https://gfds.de/gendering-im-schwedischen/
http://www.schwedisch-lernen.nu/grammatik/artikel-schwedisch.html
Im Schwedischen wurde das dadurch gelöst, dass man einen explizit neutralen Artikel für dass Utrum eingeführt hat. Es gibt also einen 4. Artikel
Also bestätigen deine Beispiele, dass die sprachliche Anpassung mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammengehört.
Naja, man hat nicht wirklich vier Artikel, sondern nur noch zwei. Und zufälligerweise hat man die “männliche” Form verwendet, also quasi genau so wie es oben vorgeschlagen wurde.
Ich bin auch gar nicht der Meinung, dass eine sprachliche Anpassung zwingend schlecht wäre, sondern nur, dass wir durch Nennung beider Geschlechter oder * etc in die falsche Richtung entwickeln, weil wir noch viel mehr Fokus auf das Geschlecht legen und würde den Weg Schwedens deutlich bevorzugen.
Ich kann auf jeden Fall die Hypothese von oben bestätigen, dass das definitiv ein Teil ist, der beim Schwedisch lernen sehr angenehm ist (im Gegensatz zu Pluralbildungen, hans/sin etc)
Ich fänd die Etablierung von “Krankenbruder” eigentlich ganz okay.
“Bruder, das Skalpell bitte.” “Keine Ahnung, frag mal den Bruder da hinten”
usw
Klar, warum nicht? Und für den “Arzt” können wir ja auch ne äquivalent weibliche Form erfinden. Wie wärs mit “Ärztin”? Bleibt nur die Frage, wie wir das mit dem Plural machen. Ärzte leitet sich ja nur vom maskulinen Singular ab, Ärztinnen nur vom weiblichen… wie wärs mit ner Kombi? “ÄrztInnen”, oder sogar mit irgendeinem Sonderzeichen…?
Uuuund wir haben das Gendern erfunden.
Wer 2023 immernoch Krankenschwester sagt lebt wirklich in der Vergangenheit.
Und warum hat man damit aufgehört?
Wer das versteht, ist auch in der Lage, zu sehen, wie wichtig Gendern an anderer Stelle ist.
Nicht ganz, das generische Maskulinum auch im Singular konsequent anzuwenden hatten wir noch nie.
Doch, natürlich. Wenn das Geschlecht unbestimmt ist und man nicht gendert, dann wird klassischerweise die (generisch maskuline) Grundform verwendet.
“Frag doch mal deinen Hausarzt.”
“Ich glaub da geh ich besser zum Rechtsanwalt.”
“Der Chef von dem Laden ist bestimmt reich geworden damit.”
“Dort wird bald wieder der Präsident gewählt.”
Ja, aber wenn man es kennt, nicht.
Merkel war ja bekanntlich Kanzlerin. Im Gegensatz dazu geht man gerade im englischsprachigen Raum den gegenteiligen Pfad.
Dort war Thatcher Prime Minister, selbst bei den Oskars wo man getrennte Kategorien für Männer und Frauen hat, heißt es female actor, usw.
Und genau an der Stelle hat es die Form eines im Singular verwendeten generischen Maskulinuns. Es gibt in der Grammatik das spezifische Genus, also die sprachliche Präzisierung (“Kanzlerin”) und die allgemeine, generische Form, die dann greift, wenn das Geschlecht unbestimmt ist. Und zwar eben auch im Singular.
Was du meinst ist wohl eher, dass ein feminines Genus überhaupt existiert.
Das Problem an einer generisch maskulinen Sprache ist aber gar nicht, dass die Präzisierung weiblicher Begriffe nicht möglich sei. Im Gegenteil: Gäbe es nur ein grammatikalisches Geschlecht, würden wir das nicht als männlich wahrnehmen - sondern eben als Standard. Weil es verschiedene Geschlechtsendungen gibt, wird “Kanzler” als maskulin erkannt, aber trotzdem oft generisch verwendet. Genau das ist das Prinzip des generischen Maskulinums.
Genau das ist ja das Argument.
Dort wo das Geschlecht einer Person bekannt ist, wird heute das entsprechende Genus verwendet: “KanzlerIN”.
Würde man IMMER das generische Maskulinum anwenden, also auf ein feminines Genus komplett verzichten, würde man den Begriff Kanzler nicht mehr als explizit männlich wahrnehmen.
Solange es noch als Maskulinum erkennbar wäre, hätte man trotzdem einen Geschlechtsbias. Ich glaube ich verstehe schon, was du meinst, aber rein begrifflich: Was du tatsächlich möchtest wäre eben kein generisches Maskulinum, sondern quasi ein (nicht nur generisches, sondern generelles) Neutrum.
Ich weiß nicht ob du die anderen Kommentare gesehen hast; weiter oben habe ich ein wissenschaftliches Paper zu der Fragestellung verlinkt. Hier wird gezeigt, dass bewusstes Gendern für die konzeptuelle Gleichberechtigung viel effektiver ist als eine genderlose Sprache. Aus der Diskussion:
(S. 12-13 im verlinkten Dokument, S. 278-279 nach Originalnummerierung.)
Nein, DER Kanzler ist maskulin, DIE Fachkraft ist feminin.
Bei der Fachkraft geht aber keiner Standardmäßig davon aus, dass es sich pauschal um eine Frau handelt.
Was das Paper angeht:
Wenn es selbst in Sprachen, die NICHT geschlechterspezifisch sind, einen Bias gibt, einen Mann anzunehmen, dann bezweifle ich, dass der/die Kanzler:in diesen Bias beseitigen kann.
Das ist irgendwie der Punkt, der wahnsinnig oft ignoriert wird. Ihr könnt ja mal Umfragen bei euren Freunden machen, wo ihr das generische Maskulinum verwendet und mitzählen, wie viele Frauen als Antwort genannt werden. “Wer ist dein Lieblingsschauspieler?” zB.
Das funktioniert zur Zeit im Deutschen halt nicht wirklich - gerade bei Berufen die extrem über ihr Geschlecht differenziert werden wie Fußballern oder Schauspieler. Andersrum: Wenn du deinen Freunden die Frage “Nenne mir drei Kanzler” stellst, kommt 100% bei allen auch Merkel mit raus.
Das war nur ein Beispiel. Das lässt sich auch auf Arzt, Pilot, Wissenschaftler, Programmierer und Vorstandsvorsitzender ausdehnen. Du hast sofort das Bild eines Mannes im Kopf, nie das einer Frau. Das ist ein Problem. Auch bei Kanzler wird es einige geben, die davon ausgehen, dass du nur männliche hören wolltest.
Aber sind das nicht auch alles (außer Arzt) Berufe, bei denen die Mehrheit männlich ist? Ich denke bei solchen Fragen halt immer an die Personen die ich kenne - wenn z.B. 90% meiner Programmiererkollegen männlich sind denke ich da halt nicht an die paar Frauen, die wir haben.
Dass vereinzelt auch bei Kanzler nur von Männern ausgegangen ist kann ich mir vorstellen, aber ich persönlich habe das schon öfters probiert und noch Niemanden gefunden.
Das ist ja genau das Henne-Ei-Problem: Die Bezeichnung ist männlich, die meisten, die in diesen Feldern arbeiten, sind männlich. Das macht es umso schwerer für Frauen eine Karriere in diesen Bereichen zu ergreifen. Das sind ja zumeist hohe Positionen, wo es schon eine gehörige Position Selbstbewusstsein braucht, sich in diesen zu sehen. Als Frau ist die Schwelle nochmal ungleich höher, weil es so wenige Frauen vor dir geschafft haben. Es ist auch so ein Überbleibsel unseres Patriarchats, dass alle Berufe, die prestigeträchtig sind, hauptsächlich von Männern ausgeübt werden. Koch in Sternerestaurants sind Männer, obwohl Kochen Zuhause Frauensache ist, Programmieren war Frauenarbeit bis es auf einmal gesellschaftlich als wichtig angesehen wurde.
An sich sehe ich das genauso, aber ich bin mir nicht sicher ob wirklich die Sprache hier die Realität formt oder umgekehrt. In vielen Diskussionen kommt es so rüber als ob Gendern das Allheilmittel ist, welches dann alle Gleichberechtigungsprobleme beseitigt. Solche großen Änderungen in der Sprache (Gendern mit *_: oder wie auch immer) durchzudrücken erfordert eine Menge gesellschaftliches Kapital (siehe auch neue Rechtschreibung) und ich bin mir nicht sicher ob dieses an anderer Stelle sinnvoller verwendet werden könnte. Oder wenigstens etwas mit weniger Kosten (Ersatz der männlichen und weiblichen Form durch ein Generischen Term) gepusht werden könnte.