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„Heiße Luft“: Wie Sachsens grüne Justizministerin auf Kretschmers Forderung nach „Bundesausreisezentrum“ reagiert

Am Freitag haben sich die Innenminister von Bund und Ländern auf die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien geeinigt. Wann geht es in der Praxis los?

Potsdam/Berlin/Dresden. Die Innenminister von Bund und Länder haben sich auf die Abschiebung von Straftätern und Terror-Gefährdern nach Afghanistan und Syrien geeinigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte zum Abschluss der Frühjahrskonferenz in Potsdam, sie sei dazu bereits mit mehreren Staaten im Gespräch. Da Deutschland derzeit weder zu den Taliban-Machthabern in Kabul noch zur Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Beziehungen unterhält, sollen diese Abschiebungen wohl über Nachbarstaaten organisiert werden. Anders als für Afghanistan sei dafür bei Syrien eine Neubewertung der Sicherheitslage nötig. Faeser gab sich überzeugt, dies mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in naher Zukunft klären zu können.

Erste Abschiebung “Frage der Zeit”

Konkret geht es um die Frage, ob es in Syrien Regionen gibt, in denen den Rückkehrern keine Gefahr für Leib und Leben droht. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte sich optimistisch, dass in Kürze Taten folgen und es “nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die erste Abschiebung läuft”. Sachsen könnte dafür sofort gut 120 Afghanen und 220 Syrer benennen, die zu insgesamt 1400 ausreisepflichtigen Mehrfach- und Intensivstraftätern gehören.

Er verwies zudem auf die einstimmig erfolgte Zustimmung der Innenministerkonferenz zum sächsischen Vorschlag, die Möglichkeiten zur Zurückweisung von Menschen an der Grenze auszuweiten, da Deutschland nur von sicheren Drittstaaten umgeben sei. Die Kurskorrektur hin zu einer schärferen Asylpolitik gebe es zwar “nicht so schnell, wie wir Unionsleute uns das vorstellen, aber die SPD bewegt sich”.

Tatsächlich gehören alle 17 Ressortchefs von Bund und Ländern entweder der Union oder der SPD an. Die Grünen - die im Bund und in zehn Ländern mitregieren - waren bereits zu einem zuvor gefassten Bund-Länder-Beschluss auf Distanz gegangen. Dieser sieht vor, Möglichkeiten für eine Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der Europäischen Union weiter zu prüfen. Parteichef Omid Nouripour hatte daraufhin vor “Scheinlösungen, die bereits in Großbritannien gescheitert sind”, gewarnt.

Grüne-Kritik an Kretschmer

Auch Sachsens SPD-Landeschef Henning Homann warnte vor “Scheinlösungen” und betonte: “Eine drastische Verschärfung von Grenzkontrollen schadet der sächsischen Wirtschaft.” Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zuvor als “ernüchternd” bezeichnet: “Niemand hat mehr Verständnis für die Wolkenschieberei der Bundesregierung.” Bayern und Sachsen verlangten in einer Protokollerklärung unter anderem ein “Bundesausreisezentrum” in Berlin und Sofort-Arrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder, die nicht abgeschoben werden können - und zwar so lange, bis sie freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren.

Die grüne Spitzenkandidatin und Justizministerin Katja Meier nannte die von Kretschmer und Markus Söder (CSU) vorgelegten Forderungen “heiße Luft, die aktuell keine schnellen Lösungen für die wirklichen Herausforderungen bei diesem Thema bringt”. Das Thema sei “zu wichtig, um mit Populismus das Vertrauen der Menschen in die Lösungskompetenz des Staates in dieser Sache leichtfertig zu verspielen”. (tz/dpa)