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    6 days ago
    Volltext, weil Bezahlwand

    Viele Ostdeutsche sind zu arm zum Sparen

    Von Jürgen Becker

    Die Deutschen können im Vergleich zu anderen Industriestaaten nach wie vor überdurchschnittlich viel auf die hohe Kante legen. Innerdeutsch gibt es bei der Sparquote aber immer noch eine unsichtbare Mauer zwischen West und Ost. Chemnitz.

    Die Bayern sorgen am besten für die Not vor: Sie sparen im Schnitt 12,9 Prozent von ihrem verfügbaren Einkommen. Das ist die höchste Sparquote in Deutschland. Baden-Württemberg folgt mit 12,8 Prozent. Zum Vergleich: In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern liegt dieser Wert nur bei 6,8 Prozent. Am wenigsten können die Bürger Sachsen-Anhalts mit 6,6 Prozent zurücklegen, gefolgt von Thüringen mit 6,7 Prozent. Das geht aus Erhebungen des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ für das Jahr 2022 hervor. Dies sind die aktuellsten verfügbaren Daten.

    Wegen der Teuerung bleibt noch weniger Geld zum Sparen übrig

    Die Sparquote gibt an, wie viel Geld private Haushalte von ihrem verfügbaren Einkommen auf die hohe Kante legen. Auch Bausparverträge und die betriebliche Altersvorsorge fließen in diese Berechnung mit ein. Für Sachsen bedeutet das, dass die privaten Haushalte 2022 im Durchschnitt je 100 Euro 6,80 Euro von ihrem verfügbaren Einkommen gespart haben. Laut Statistischem Landesamt waren das aufs Jahr hochgerechnet durchschnittlich 1638 Euro pro Person. Bundesweit waren es 2962 Euro pro Kopf. „Dieser Durchschnittswert lässt aber keine Rückschlüsse auf einzelne Haushalte zu“, so das Statistische Bundesamt. „Abhängig von Einkommenshöhe, Lebenslage und Sparneigung gibt es sehr deutliche Unterschiede. Während einige Haushalte viel Geld auf die Seite legen können, bleibt bei anderen am Ende des Monats wenig oder nichts übrig.“ Experten gehen aber davon aus, dass sich für viele Haushalte die Lage durch die hohen Preisanstiege für Waren des täglichen Bedarfs noch einmal verschärft haben dürfte.

    Niedrigere Löhne im Osten

    Die Gründe für die niedrigere Sparquote im Osten liegen für Sören Pellmann auf der Hand: Die Deindustrialisierung nach der Wende habe in Ostdeutschland zu Abwanderung, niedrigen Löhnen, geringen Renten und unsicheren Arbeitsverhältnisse geführt, so der Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Bundestag. „Das schlägt sich natürlich auch in den Möglichkeiten nieder, finanzielle Rücklagen zu bilden.“ Pellmann konstatiert: „Die Ostdeutschen sind oftmals zum Sparen zu arm.“

    Ostdeutsche haben kaum Vermögen

    Ein weiterer Grund: die geringe Tarifbindung im Osten. So erhalten laut Statistischem Bundesamt 85,8 Prozent der Tarifbeschäftigten in Deutschland 2024 Weihnachtsgeld. Im Osten hat demnach aber nicht einmal jeder zweite Beschäftigte durch einen Tarifvertrag Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld - Tendenz weiter sinkend. Zudem hat die geringere Tarifbindung im Osten deutlich geringere Gehälter zur Folge. Das gilt vor allem für die freie Wirtschaft. Wer aber wenig verdient, kann wenig ausgeben und noch weniger sparen. Hinzu kommt: Die Ostdeutschen haben zu DDR-Zeiten weniger Vermögen aufbauen können. Schätzungen zufolge besaßen Ostdeutsche des Jahrgangs 1972 zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gerade einmal 50 Prozent der Vermögenswerte des entsprechenden westlichen Geburtsjahrganges, die des Jahrgangs 1928 sogar nur 10 Prozent.

    Linke fordert Aufbauplan Ostdeutschland

    Um die Sparquoten anzugleichen, fordert Linke-Politiker Pellmann jetzt „einen Aufbauplan Ostdeutschland, der zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung führt“, und armutsfeste Löhne und Renten. Immerhin stehen die Ostdeutschen aber im internationalen Vergleich noch besser da als viele andere. So betrug die Sparquote der privaten Haushalte 2022 nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in den USA lediglich 3,7 Prozent. Sogar noch niedriger war sie in Italien mit 2,1 Prozent. (juerg)