Heidelberg. Es war eine eher ungewöhnliche Kontrollaktion, die die Polizeibeamten in der Bergheimer Straße am Donnerstagvormittag durchzogen. Autofahrer, die Radfahrer überholten, bekamen dort einen Strafzettel verpasst – denn in der Straße gilt für sogenannte zweispurige Fahrzeuge, also Autos, striktes Überholverbot.

Das war schon vorher so an Stellen, an denen der vorgeschriebene Abstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden konnte. Seit gut einem Monat aber steht in der Bergheimer Straße das Verkehrszeichen 277.1, das nun jegliches Überholen von Zweirädern ausschließt.

Das Zweirad-Überholverbot-Schild sorgt, seit es aufgestellt wurde, für Diskussionen – zumal es vielen Verkehrsteilnehmern schlicht nicht bekannt ist (die RNZ berichtete). Doch diese Ausrede lassen die Beamten bei ihrer Kontrolle nicht gelten: “Als Verkehrsteilnehmer muss man sich informieren”, erklärt ein Polizist einem Fahrer, den er gerade rausgewunken hat. Für ihn wird es teuer: 70 Euro und einen Punkt in Flensburg bringt ihm die Überholaktion. Diese recht hohe Strafe ist dem Schild geschuldet: Wird der Sicherheitsabstand nicht eingehalten, weist aber kein Schild darauf hin, liegt die Strafe lediglich bei 30 Euro, wie Nicolas Schütz, Leiter des Verkehrsdienstes Heidelberg, erklärt.

So richtig viel los ist an diesem Vormittag nicht – was wohl auch den Sommer- und Semesterferien geschuldet ist. Doch immer wieder bekommen die Polizisten, die sich stadteinwärts auf Höhe des Alten Hallenbads positioniert haben, von einem Kollegen durchgegeben, dass ein Fahrzeug naht, das gerade unerlaubterweise einen Radfahrer überholt hat. Dieser Kollege steht auf Höhe der Römerstraße – direkt bei dem neuen Verkehrsschild also. So solle sichergestellt werden, erklärt Schütz, dass der Autofahrer auch wirklich an dem Schild vorbeigefahren ist, bevor er unberechtigterweise überholt hat. Würde nämlich etwa ein Auto von der Poststraße in die Bergheimer Straße einbiegen, käme es nicht an dem Schild vorbei. Dann würde die niedrigere Strafe über 30 Euro gelten.

Die Fahrer, die bei der heutigen Kontrolle wegen Verstoßes gegen das Überholverbot rausgezogen werden, reagieren zwar relativ gelassen. Nachvollziehen können sie die Strafe aber eher nicht. “Ich bin mir keiner Schuld bewusst”, sagt ein Fahrer gegenüber der RNZ. Er habe den Radfahrer schließlich sehr vorsichtig überholt. Das Verkehrsschild finde er übrigens generell gut – schließlich sei er selbst Radfahrer. Aber: “Ich kannte es nicht.” Daher hätte er es gut gefunden, sagt er, wenn man ihn rausgewunken und auf das Überholverbot hingewiesen hätte. “Aber die Strafe finde ich absurd.”

Ähnlich sieht das eine Autofahrerin, die ebenfalls von den Beamten rausgezogen wird, weil sie ein Rad überholt hat. “Ich finde das völligen Quatsch”, sagt sie. Auch sie habe ganz vorsichtig überholt, und es sei doch vor allem wichtig, dass jeder verantwortungsvoll im Straßenverkehr unterwegs sei. Das Schild kannte auch sie nicht.

Die Autofahrer würden bei solchen Kontrollen sehr unterschiedlich reagieren, sagt Schütz. Aber es sei schon so, dass die Beamten oft auf Unverständnis stießen. Viele Autofahrer würden dann sagen, dass die Radfahrer die Regeln doch auch nicht einhielten. “Das kennen wir auch aus anderen Bereichen, dass die Leute sich da eher nicht an die eigene Nase fassen”, so Schütz. Bei den Radfahrern kommt die Kontrolle da schon besser an. “Ich finde das gut – gerade in der Bergheimer Straße, in der es wirklich enge Stellen gibt”, sagt eine Radfahrerin – gerade eben sei sie noch von einem Auto geschnitten worden.

Bei der Kontrolle geht es an diesem Donnerstag allerdings nicht nur um die Missachtung des Überholverbots. Auch wenn den Beamten anderes Fehlverhalten auffällt, ziehen sie Auto- und auch Radfahrer raus. Da ist etwa ein Radler, der mit Handy in der Hand erwischt wird. Das kostet ihn 55 Euro. Auch ein Autofahrer hat sein Handy am Steuer genutzt. Ihn kostet das 120 Euro und einen Punkt. Bei einem E-Roller-Fahrer kontrolliert ein Beamter, ob er – wie vorgeschrieben – ein Kennzeichen hinten am Fahrzeug hat.

Insgesamt wird die Polizei in den eineinhalb Stunden am Schluss 18 Ordnungswidrigkeiten geahndet haben, darunter 13 Verstöße gegen das Zweirad-Überholverbot-Verkehrsschild. Vier Auto- und ein Radfahrer wurden mit dem Handy in der Hand erwischt. Dabei kam auch eine Straftat ans Licht: Ein Autofahrer war zudem ohne Fahrerlaubnis unterwegs.

  • Aufgehtsabgehts
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    3 months ago

    Ich verstehe den Autofahrer, der auch Radfahrer ist und das Schild für unnötig hält - das Schild ist vermeintlich unnötig, weil in der Straße ein “vorsichtiges” Überholen von Radfahrern nicht möglich ist und daher in erster Linie nie ein Überholvorgang hätte stattfinden dürfen, ob mit oder ohne Schild.

    Aber da Autofahrer systembedingt komplett von der Außenwelt entkoppelt sind und nicht wissen, was sie anrichten (können), muss das Schild wohl aufgestellt werden - und sei es nur, um die Strafen etwas erhöhen zu können. Die sonst geltenden 30 Euro sind lächerlich, wenn man bedenkt, dass durch solche Überholvorgänge Leben bedroht werden.

    • superkretOP
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      3 months ago

      Ich verstehe nicht, warum der Autofahrer der auch Radfahrer ist, dann an der Stelle trotzdem überholt.
      Mehr als 50cm Abstand sind da nicht möglich, und das auch nur, wenn der Radfahrer in der Gullirinne fährt.
      Radfahrer, die den empfohlenen 1m Sicherheitsabstand vom Lenkerende zum rechten Fahrbahnrand einhalten, fahren auf der Straße schon genau in der Mitte.

      • Aufgehtsabgehts
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        3 months ago

        Ja, er als Radfahrer sollte wissen, wie unangenehm es sich anfühlt, von einem Auto eng überholt zu werden.

        Ich kann es mir nur so erklären, dass Entwurfsentscheidungen in den Autos und auf der Straße dazu führen, dass man als Autofahrer ein ganz anderes Gefühl von Sicherheit, Geschwindigkeit und Abständen hat, als es sein sollte. Selbst die Erfahrungen eines erfahrenen Radfahrers werden überschrieben.

        Anders lässt es sich auch nicht erklären, dass sich Menschen trauen, mit mehr als 120 km/h irgendwo zu fahren, wo andere Menschen mit ihren Macken und Fehlern fahren.

    • NotAnonymousAtAll
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      3 months ago

      Die sonst geltenden 30 Euro sind lächerlich

      70 € sind immer noch lächerlich wenig dafür, dass der Tod anderer Menschen für die eigene Bequemlichkeit/Ungeduld billigend in Kauf genommen wird.

    • Baŝto@discuss.tchncs.de
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      2 months ago

      Es gibt leider viele überflüssige Schilder, weil es scheinbar nicht alle einsehen und situationsbedingte Grenzen sicher schwerer durchzusetzen sind. Wir haben auch ne 30er-Zone in ner Gegend bekommen in der man ohnehin noch nie schneller fahren konnte, weil es zu eng und unübersichtlich sowie zu viele Seitenstraßen (rechts vor links) hat.