Cross-Post von https://discuss.tchncs.de/post/7259234.
Edit: Ich schreibe es hier jetzt lieber auch mal noch dazu. Von der Studie ist nicht viel zu halten siehe z.B. die Kommentare hier.
Lohnt sich übrigens, den gesamten Bericht zu lesen, um die Bewertungen zu verstehen. Es gibt auch ein Google Sheet mit dem kompletten Punktesystem, in dem auch die verwendeten Quellen verlinkt sind (bei Interesse lässt sich darauf aufbauend auch eine eigene Top 10-Liste erstellen). Natürlich kann man immer weiter ins Detail gehen, aber es ist eben auch keine subjektiv dahingerotzte Liste:
However, only one (Berlin Central) made it into the top five, and two (Berlin Central, Frankfurt) are in the top ten. More are concentrated at the other end of our index - the six lowest-ranking venues (Essen, Berlin Ostkreuz, Berlin Zoologischer Garten, Munchen-Pasing, and Bremen) are all German. The scores for all these hubs were affected by severe train delays and waiting times. As of the time of this writing (21st of July), 39% of all trains were later than 5 minutes in Bremen.
Bremen bekommt in diesem Beispiel etwa 0 Punkte für die Pünktlichkeit (von max. 15 in dieser Kategorie), aber der Punkt Informationen am Bahnhof bekommt 5 Punkte (die Höchstpunktzahl in dieser Kategorie).
Anhand des Sheets lässt sich die Bewertung zwar nachvollziehen. Das macht das Ranking aber nicht automatisch sinnvoller. Einige der Kategorien und dazugehörigen Punkte sind durchaus fragwürdig, bzw. spiegeln zumindest nicht jedermanns Vorstellung von “guter Bahnhof” wieder.
Ja, drüben in der Bremen-Community wurde ja auch auf das wunderschöne Altbaugebäude hingewiesen. Das hat hier keine Berücksichtigung gefunden, und das kann man sicherlich schade finden. Als Bremer fühlt man sich vielleicht auch auf den Schlips getreten. Persönlich mag ich deshalb Tests ohne Gewinner und Verlierer (wie beispielsweise in der c’t). Macht natürlich weniger beeindruckende Schlagzeilen.
Trotzdem wird der Vergleich jetzt nicht nur dadurch fragwürdig, dass man persönlich einige Punkte stärker gewichtet, als es die Autoren hier tun. Das geht schon in Ordnung, solange man klar macht, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind.
Hier gibt es auch noch einen ausführlichen Thread dazu, warum die Studie sehr problematisch ist: “Der Spiegel verbreitet eine haarsträubende Fake-Studie einer libertären Lobby-Organisation über Bahnhöfe in Europa. In der “Studie” wird Bremen Hbf zum schlechtesten Bahnhof Europas gekürt, während ausgerechnet Berlin Hbf unter den Top 3 landet. Wer schon einmal Zug gefahren ist, sollte spätestens hier stutzig werden … Ein Thread, warum das alles sehr problematisch ist” … https://mastodon.social/@sebwilken/111523410266091252
Ich lese Sebastian Wilken (und insbesondere seinen Newsletter) gerne, aber Berlin Hbf ist nun einmal für viele Menschen ein ganz hervorragender Bahnhof. Für manche sogar der beste Bahnhof der Welt.
Die Kritierien, die er hier kritisiert, sind aber genau so subjektiv wie der Bericht selbst:
Auffällig die Auswahl der Bahnhöfe. Von 50 “untersuchten” Bahnhöfen liegen 21 in Deutschland. Spanien ist dagegen nur einmal mit Madrid vertreten, Frankreich nur mit einigen willkürlich ausgewählten Pariser Bahnhöfen.
Oh nein, irgendeine random Organisation hat vor allem Bahnhöfe in einem Land betrachtet, welches für ihre Leser relevanter ist als andere. Buhu, wie schrecklich.
Auch andere Kategorien sind haarsträubend. Es wird zum Beispiel die Art der verfügbaren Tickets als Wertungskriterium herangezogen, was offensichtlich nichts mit den Bahnhöfen zu tun hat (sondern mit den Eisenbahnunternehmen).
Stimmt. Sicher ist nicht der Banhofsbetreiber verantwortlich, welche Tickets nun in seinen Ladenflächen und an Automaten verkauft werden. Spielt aber für Verbraucher keine Rolle, wenn der Automat mir das gewünschte Ticket nicht verkaufen will, ist das nunmal scheiße. Egal, wer dafür verantwortlich ist.
Bremen Hbf ist übrigens ein sehr guter Bahnhof. Deswegen bin ich bei der Spiegel-Geschichte auch gleich stutzig geworden. Das sehe übrigens nicht nur ich so, sondern auch die Allianz pro Schiene, die Bremen 2013 zum Bahnhof des Jahres gekürt hat
Ja, man kann den Bahnhof schon ganz geil finden. Aber es wurden doch komplett unterschiedliche Kriterien angelegt. Die Allianz Pro Schiene beschreibt ausführlich den Anblick des Bahnhofs. Ein Kriterium, welches hier gar keine Rolle gespielt hat.
Angeblich gibt es nur 9 Geschäfte und Kioske, was zu 0 Punkten in der Kategorie “Shops/Kiosks” führt. Jeder, der schonmal in Bremen war, weiß: Das ist glatt gelogen.
Das ist der einzige einigermaßen objektive Kritikpunkt. Allerdings hat man sich diese Zahlen nicht aus dem Arsch gezogen, sondern der jeweiligen Homepage entnommen, die offensichtlich nur unzureichend gepflegt wird.
Ehrlich, so scheiße die Organisation hinter dem Bericht ist: Zum einen Verkaufen sie das nicht als Studie (das macht allerdings der Spiegel), zum anderen machen sie ihre Quellen und Bewertungsmaßstäbe öffentlich. Das alleine sollte man feiern weil es leider nicht selbsverständlich ist.
Leute, ich fahre wahnsinnig gerne Bahn, hasse libertäre Scheiße, aber Deutsche Bahnhöfe landen hier ganz überwiegend wegen der grottenschlechten Pünktlichkeit auf den letzten Plätzen. Und das leider verdient.
