Gigantisch sei der Investitionsstau in Nordrhein-Westfalen, sagt die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in NRW, Anja Weber. In Zahlen ausgedrückt: 156 Milliarden Euro müsse NRW in den nächsten zehn Jahren in Bildung, Straßen, Wohnen, Gesundheit und den Klimaschutz investieren, um nicht den Anschluss an die anderen Bundesländer zu verlieren. Dies hat Torsten Windels von der privaten Forschungsgruppe für Strukturwandel und Finanzpolitik in Hannover im Auftrag des DGB ausgerechnet.

Schon vor einem Jahr hatte Windels die 156 Milliarden Euro in einer Studie genannt, jetzt liegt ein „Update“ vor. Der Investitionsstau sei demnach zwar in den vergangenen zwölf Monaten nicht noch größer geworden, aber Windels – und mit ihm die DGB-Gewerkschaften – werfen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seiner schwarz-grünen Landesregierung diesmal vor, die Chancen, an zusätzliches Geld zu kommen, einfach nicht zu nutzen.

„Die NRW-Bank hat mit einer Eigenkapitalquote von 42 Prozent so viel Kapital an Bord, dass sie ihre Bilanzsumme verdoppeln könnte“, sagte Windels, der früher Chefvolkswirt bei der Norddeutschen Landesbank (Nord/LB) in Hannover war. Das „finanzpolitische Instrument“ NRW-Bank könne viel intensiver gespielt werden.

NRW scheue sich auch, einen weiteren „Joker“ auszuspielen: Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB), also der landeseigene Immobiliendienstleister, ist ein „Sondervermögen“ des Landes NRW und vor der Einführung der Schuldenbremse gegründet worden. Das bedeute laut Windels, dass der BLB keinem Verschuldungsverbot ausgesetzt sei. Man könne auf diesem Weg zum Beispiel Kredite aufnehmen für Krankenhäuser und Schulen, ohne mit der Schuldenbremse zu kollidieren.

DGB-Landeschefin Weber und Ökonom Windels meinen, dass sich das Land NRW in Berlin nicht gut genug in Szene setze, um Investitionshilfen des Bundes locker zu machen. Bei dem für NRW so wichtigen Thema Altschuldenlösung gebe es keine Bewegung, und im Länderfinanzausgleich sei für NRW auch viel mehr drin.

„NRW hat einen Anteil von rund 23 Prozent an der deutschen Bevölkerung. Es erhält aus dem Länderfinanzausgleich 6,6 Prozent, was einen Anteil von 1,7 Prozent des Landeshaushaltes ausmacht. Sachsen bekommt 25 Prozent seines Landeshaushaltes aus Bundeszuweisungen“, erklärte Windels. Er erklärt die Vorteile Sachsens und anderer Ost-Länder mit einem nordrhein-westfälischen „Mentalitätsproblem“: „NRW kommt als einwohnerstärkstes Bundesland mit breiten Schultern daher und scheut davor zurück, im Berliner ,Sozialamt‘ als Bittsteller anzuklopfen.“

„Mit der aktuellen Sparpolitik laufen wir in eine Sackgasse“, sagte Anja Weber vom DGB. Ein Land, das die Sozialausgaben senken und die Wirtschaft ankurbeln wolle, müsse Geld in die Hand nehmen und dürfe nicht einfach nur den Mangel verwalten.