• flora_explora@beehaw.org
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    4 months ago

    Hm, ich weiß nicht, was ich von dem Vortrag halten soll. Irgendwie will ich ihm seine Widersprüchlichkeit verzeihen, weil er ja schließlich zu Finanzmenschen redet. Aber das dann online zu stellen?

    Also einmal scheint er ja die Schuldfrage des Konsums zugunsten von Unternehmen/Industrie zu beantworten. Nicht die Großindustrie ist schuld, sondern Individuen, die konsumieren. Und da weiß ich jetzt schon nicht, ob er das ernst meint oder das nur sagt, weil er mit Vertreter:innen der Finanzindustrie redet und denen das besser verkaufen will. Aber wie gesagt, das dann unkommentiert online stellen finde ich blöd. Natürlich ist es gut, wenn Leute nicht immer wieder müde Ausreden bringen, mit denen sie ihre Doppelmoral und den eigenen klimaschädlichen Lebensstandard rechtfertigen können. Aber wie will man denn in dieser Gesellschaft bitte nicht klimaschädlich handeln, vor allem, wenn man nicht so viel Geld hat? Ich kann mir den Aufwand und vor allem den Preis von unverpackten Lebensmitteln einfach nicht leisten! Und welche Bioprodukte sind bitte wirklich ernsthaft nachhaltig und nicht klimaschädlich? Genausowenig kann ich komplett vegan leben, denn auch für meine pflanzlichen Lebensmittel werden ja ständig Tiere getötet. Und wie ethisch ist es, dass z.B. migrantische Zwangsarbeiter:innen in Italien dann mein Biogemüse ernten? Nix davon ist ein Grund dafür, nicht zu versuchen, so gut es geht vegan, klimaschonend und ethisch zu leben. Aber im Kapitalismus ist ethischer Konsum halt nicht möglich.

    Und was ist bitte mit der Großindustrie? Warum wird davon nix im Vortrag erwähnt? Häh?

    Auch dieses permanente Wiederholen von “keine Meinung, nur Messwerte” hat meine innere Wissenschaftlerin völlig fertig gemacht. Wissenschaft ist nicht objektiv, sie kann nur versuchen möglichst nah an eine objektive Darstellung heranzukommen. Aber zu sagen, dass das ganze meinungsfrei wäre, ist bullshit. Vor allem, weil er ja dann auch noch den ethischen Appell bringt, dass man Hühner etc nicht schlachten soll. Ich bin da voll seiner Meinung und für mich ist das Schlachten von Tieren tatsächlich Mord. Aber dann zu behaupten, man würde hier nur Daten zeigen und keine Meinung ist dann halt komplett abwägig. Vor allem, weil dieser Punkt ökologisch völlig egal ist.

    Und bei glaube der vorletzten Folie, wo es um die verschiedenen Gerichte und ihre Schädlichkeit fürs Klima geht, erklärt er, warum Fleisch und so viel klimaschädlicher sein soll. Aber die Y-Achse gibt laut Grafik nur den Anteil an den verschiedenen Gerichten an.

    Im Ganzen stimme ich natürlich inhaltlich größtenteils mit ihm überein. Und wahrscheinlich können weniger analytisch-logisch veranlagte Personen mit dem Vortrag viel mehr anfangen als ich. Aber die Ausführung fand ich persönlich echt schlecht. Schade :(

    • Sodis@feddit.de
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      4 months ago

      Bei Konsumkritik muss man schon unterscheiden, ob es da um die Deckung von lebensnotwendigen Bedürfnissen geht oder um Luxusartikel. Deine Beispiele sind alle auf Nahrung gemünzt und dein Punkt ist auch korrekt, dass ethisches konsumieren da schwierig ist. Aber ich vermute, dass im Vortrag eher der Konsum von nicht notwendigen Gütern gemeint ist: Tausende Klamotten, ständig neue Smartphones, Autos, irgendwelche sinnlosen Gadgets usw. Da bedienen Unternehmen den Markt, weil er besteht. Ich habe wirklich ein paar Leute in meinem Umkreis, die die Glücksgefühle von ihren Shopping Sprees als Copingmechanismus verwenden.

      Zusammengefasst: Bei lebensnotwendigen Sachen muss die Industrie klimafreundlicher werden, die Richtung kann man mit Kaufentscheidungen steuern, wie der Boom veganer Produkte zeigt. Bei nicht lebensnotwendigen Dingen kann man als Konsument auch mal darüber nachdenken, ob das Produkt wirklich benötigt wird.

      • flora_explora@beehaw.org
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        4 months ago

        Ja klar, das meinte ich ja in meinem Kommentar schon, dass natürlich gut ist, Konsument:innen nicht so leicht davonkommen zu lassen, indem die Industrie alleine Schuld ist. Aber wie auch im restlichen Vortrag argumentiert er hier sehr einseitig und unter Verlust von jeglicher Komplexität. Und das regt mich halt auf, dass seine übermäßig starken Vereinfachung im Endeffekt zu einigen Falschaussagen bzw falschen Schlüssen führen.

        Und nur um nochmal auf dein Beispiel einzugehen: inwiefern sind solche vermeintlichen individuellen Entscheidungen wie shopping sprees tatsächlich durch individuelle Veränderungen lösbar bzw inwiefern sind sie nicht Ausdruck eines strukturellen Problems? Ich glaube schlicht nicht daran, dass plötzlich die Mehrheit der Menschen aufgrund eines moralischen Appells ihre Lebensweise ändert. Und dies, obwohl diese Lebensweise ja eine Ausgeburt des Kapitalismus ist, der uns ja alle entfremdeten Wesen macht, die ihre Erfüllung statt in sich selbst im Konsum suchen. Jetzt vorwurfsvoll an Menschen heranzutreten führt eher dazu, dass sich die Psyche noch mehr in dieser Doppelmoral verliert. Wie viele Menschen wissen all das schon seit Jahrzehnten, aber machen sich dann trotzdem über Veganer:innen lustig und essen trotzdem Fleisch? Es wird immer schwerer, das Bild von sich als guter Mensch aufrecht zu erhalten, während man immer bewusster darin wird, dass man schlecht handelt.

        Wir brauchen dafür sicherlich Menschen, die früher merken, dass das so nicht weitergehen kann und die sich dann für einen Wandel einsetzen. FFF und ähnliche Gruppen sind dafür richtig gut. Aber man sieht ja auch, dass Gruppen, die zu sehr an dem Selbstbild des guten Menschen rütteln, wie z.B. die Klimaaktivistis, die sich auf Straßen kleben, direkt starke innere Widerstände in der Gesellschaft rühren.

        Und abseits von all den individuellen Konsum-Entscheidungen, die man so treffen kann, gibt es halt auch industrielle Zweige, die nicht so einfach über die ebene des Individuums lösbar sind. Sagen wir mal, die Mehrheit der Menschen würde eine nachhaltige, ökologische, vegane, fair erwirtschaftete Landwirtschaft bevorzugen. Aber wie kann sie denn jetzt über ihre individuellen Konsumentscheidungen irgendwas beeinflussen? Also schon mal gar nicht irgendwo in einen Supermarkt gehen, da kriegt man wirklich nichts, was diesen Standards entspricht. Einzig alleine so kleine Bioläden sind vielleicht OK. Aber auch da gehen natürlich nur lokale Produkte und da wir über die Mehrheit der Menschen sprechen, können die sich das a garnicht leisten und b gibt es garnicht genug für alle. Und dann noch, wie sollen die ganzen Menschen auf dem Land denn am Leben teilnehmen ohne öffentlichen Nahverkehr? Wie können sich Menschen ökologisch verträgliche Heizungen und Strom leisten? Wo bekommt man bitte auf der Welt wirklich faire Elektronikgeräte her (selbst das fairphone ist nicht 100% öko/fair) oder sollen plötzlich alle aus dem Internet raus? Und was ist generell mit dem Konsum im Internet? Wir, die wir hier über den Konsum von Menschen urteilen, wissen wir wie viel Umweltschäden all die Serverfarmen auf der Welt anrichten? Oh, und sollten Menschen irgendeinen Müll haben, wie stellen sie sicher, dass der nicht wie bisher einfach an arme Länder exportiert wird? Es gibt einfach so viel, was nicht auf individueller Ebene lösbar ist, das sind nur die Sachen, die mir gerade eben einfallen.

        Deshalb denke ich, dass es beides benötigt, strukturelle Veränderung auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene. Und aber auch eine gesellschaftliche Bewegung, die diese Veränderungen schon für sich umsetzen und von der Politik einfordern.

        • Teppichbrand@feddit.deOP
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          4 months ago

          Natürlich braucht es dringend politische Lösungen. Die sind aber nur möglich, wenn wir einzelne Menschen die neue Richtung verstehen, akzeptieren und mitgehen. Und das wir dazu nicht bereit sind ist in der letzten Zeit ziemlich klar geworden.
          Darum richtet er seine Kritik an das Individuum:
          Wenn nicht mal du dein Salamibrötchen sein lässt, obwohl inzwischen selbst in der Bildzeitung steht wo die Reise hin geht, was sollen wir dann noch von der Politik und der Wirtschaft fordern? Wir können in vielen Bereichen einfach sagen “Nein danke!” und das wäre so viel radikaler und mächtiger, als alle 4 Jahren die Grünen zu wählen und dann trotzdem weiter Salamibrötchen zu essen. Kauf dir halt für 50€ ein gebrauchtes Telefon mit LineageOS und nutze das.
          Hagen Rether meinte mal: Eigentlich sind wie keine Demokraten, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Wir wünschen und eigentlich einen König, der über uns regiert und über den wir und dann auftreten können. Wie kleine Kinder, die nicht Zähne putzen wollen. Doofe Mama, ich will aber nicht!