Ein Interview mit Tahir Hamut Izgil, geboren 1969 in der Region Xinjiang im westlichen China, Filmregisseur, politischer Aktivist und einer der prominentesten modernen Lyriker in uigurischer Sprache. Mitte der 1990er war er für drei Jahre in einem chinesischen Lager inhaftiert, weil er angeblich „sensible Daten“ außer Landes hatte schaffen wollen. Als die Masseninternierungen von Uiguren begannen, floh er 2017 mit seiner Familie ins Exil. Er lebt in den USA. Kürzlich erschien im Hanser Verlag sein Bericht „In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung. Uigurische Notizen“

Tahir Hamut Izgil: Ich habe seit der Flucht keinerlei Kontakt mehr zu Freunden und Verwandten aus meiner Heimat. Es wäre zu gefährlich für sie […]

Bald konnten die KI-Programme in ganz China Uiguren identifizieren. Sobald du eine Kamera passierst, die dich als „verdächtiger Uigure“ erfasst, wird ein Alarmton gesendet oder die Daten werden an Sicherheitszentren übermittelt. Jede lokale Polizeistation hat ihr eigenes Internetzentrum […]

Obwohl die uigurische Region ein kolonialisiertes Gebiet ist, spielt das Wissen darum im Alltag nicht immer eine Rolle. Die Menschen erfahren die Dinge direkter: Sie denken vor allem daran, wie sie durchkommen, an die möglichen Quellen der Freude, die erreichbar für sie sind. Sie versuchen, sich auch noch an die widrigsten Bedingungen anzupassen, um kleine Alltagsfreiheiten zu erlangen. Auf diese Art werden sie Teil des Unterdrückungssystems. Das entspricht dem Ziel der Regierung, die Kultur der Uiguren auszulöschen und sie komplett zu assimilieren […]

Die Ausgangssituation ist, dass seit 1949, seit die Kommunistische Partei die Macht in unserer Region übernommen hat, den Uiguren permanent Rechte verweigert werden. Gleichzeitig wurde das Versprechen einer autonomen Region nicht eingehalten […] wie auch immer die Forderung nach den Rechten ausfällt: Es ist eine Reaktion auf eine permanente und systemische Unterdrückung […]

In China gilt der Besitz eines Korans schon als extremistisch. Die chinesische Regierung hat 9/11 insofern für sich beansprucht, als sie das Konzept des Terrorismus generell auf die uigurische Minderheit anwendet […]