Der US-amerikanische Ökonom Andrew McAffee hat in seinem Newsletter gerade die US-Wirtschaft mit der der Europäischen Union (EU) verglichen. Wenn die Größe von Unternehmen ein Maßstab für die Stärke des Wirtschaftsraums sind, dann sieht es für die EU nicht gut aus. Anlass für diese Analyse war eine Äußerung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario [...]
Copium. Wenn man an die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft denkt, dann sind das zum großen Teil Unternehmen aus der Kaiserzeit, die auch unter den Nazis gute Geschäfte gemacht haben. Die milliardenschweren Dynastien dahinter haben beste Kontakte in die Politik.
Wenn man sich die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt ansieht, dann ist da, neben den amerikanischen Tech-Milliardären, der Franzose Bernard Arnault. Der Millionenerbe hat Milliarden mit Luxusbekleidung gemacht.
Das europäische Problem ist, es ist einfach nichts Neues da.
Das ist ein Problem für Länder in Ost- oder Südeuropa, wo noch nicht viel da ist. Deutschland hat noch (!) überhaupt kein Problem. Wir haben die ganzen traditionellen Industrien. Wenn jemand heult, dass DE keine Internetindustrie hat, ist meine Frage: Wer sollte es denn machen? Wir haben Vollbeschäftigung mit sehr gut bezahlten Jobs. In anderen europäischen Ländern ist da noch ziemlich Luft nach oben. Da ist das Problem.
Wenn oder falls die Autoindustrie die Kurve nicht kriegt, dann hat Deutschland auch das Problem.
1991 hatte Deutschland etwa 80 Millionen Einwohner. Jetzt sind es etwa 85. Die USA hatten ~256 Millionen Einwohner und jetzt etwa 343 (+87 Mio!). Wer in Deutschland Sorgen wegen Zuwanderung hat, hat schlicht keinen Kontakt zur Realität. Aber zum Thema: Die USA konnten so eine neue Industrie aufbauen, weil sie bevölkerungsmäßig um ein ganzes Deutschland zugelegt haben.
Die EU hat um die osteuropäischen Länder zugelegt. Das Leben dort hat sich seither deutlich verbessert (und ist länger geworden). Die Ukrainer haben guten Grund, um die Westbindung zu kämpfen. Aber wenn man in die USA oder nach Asien blickt, sieht man, dass eigentlich noch mehr drin sein müsste.
Hier muss ich einhaken und nachfragen: Meinst Du "Vollbeschäftigung in den sehr gut bezahlen Jobs" oder meinst Du “Wir haben Vollbeschäftigung und außerdem sind Jobs in Deutschland gut bezahlt”?
Der erste Fall mag stimmen. Der zweite Fall ist inzwischen eine Mär, die von Konservativen weiterhin verbreitet wird, um gegen Bürgergeld-Empfänger:innen Stimmung zu machen.
Im zweiten Quartal 2024 hatten wir in Deutschland im Schnitt 1,34 Millionen offene Stellen. Demgegenüber standen ca. 2,7 Millionen Arbeitslose. Auf jede freie Stelle kommen also ca. 2 Bewerber:innen. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt bei 5,9 %. Vergleiche das mal mit der Arbeitslosenquote der 60er-Jahre, in denen die Arbeitslosenquote teils bei unter einem Prozent lag und mehrere freie Stellen auf eine:n Bewerber:in kamen.
Siehe hier:
Ja, wegen Putin und Corona ist im Moment nicht optimal. Aber das sind keine langfristigen, systemischen Probleme.
Mit den Arbeitslosenzahlen muss man vorsichtig sein. Wie da steht, sind das die registrierten Arbeitslosen. In den 60ern war es nicht üblich, dass Frauen erwerbstätig sind. Ehefrauen durften auch gar nicht ohne Erlaubnis des Mannes. Ob sich jemand registriert, ist auch von kulturellen und anderen Faktoren abhängig. Macht die Frage nach der Vollbeschäftigung natürlich auch unscharf.
Man kann sich die Erwerbstätigenquote ansehen. Die ist in Deutschland etwas höher als in den USA (IIRC gibt es hier aber auch mehr Teilzeit). Ich finde einfach keine Daten, die bis in die 60er zurückreichen, aber dass die Quote nie höher war glaubt man vielleicht auch so. Für die “neuen Bundesländer” mag das anders sein.
Die Arbeitslosenzahlen sagen viel darüber aus, ob die Leute zufrieden mit der Wirtschaft sind, was natürlich das wichtigste ist. Aber, worum es mir geht, ist, dass die Arbeitskräfte, die zusätzlich zur vorhandenen Industrie ein Google in Deutschland aufbauen würden, einfach nicht verfügbar sind.
Die Bezahlung ist natürlich auch knifflig. Nicht alles, was bezahlt wird, ist Lohn. Deswegen verweise ich hier auf eine Statistik zum BIP/Stunde. Was hergestellt wird, ist da und kann verteilt werden. Durchschnittlich ist das der “Lohn” für eine Stunde Arbeit, egal wie das rechtlich organisiert wird.
Man muss natürlich auch ein bisschen aufpassen, weil unbezahlte Arbeit (zB Hausfrauenarbeit) nicht ins BIP einfließt. Dann gibt’s noch andere Probleme, wie den großangelegten Steuerbetrug über “Steuerparadiese”. Egal. Feinheiten.
Man sieht, dass die USA ein bisschen produktiver sind als DE oder Frankreich, aber ich weiß nicht, ob das relevant ist. Die US-Bevölkerung ist ein bisschen jünger. Dann gibt’s noch Probleme, welche die Statistik verfälschen können. Letztlich, es sieht für mich nicht so aus, als gäbe es da etwas, was wir groß besser machen können. Die vermeintlichen Lohnunterschiede, die von manchen beklagt werden, sind großteils darin begründet, dass die Amerikaner einfach viel mehr Stunden/Jahr arbeiten.
Ich hab oben erwähnt, dass die USA in den letzten 30-40 Jahren um ein ganzes Deutschland zugelegt haben. Damit meinte ich nicht nur die Zunahme der Bevölkerung. Dieses mehr an Einwohnern ist auch etwa so produktiv wie Deutschland.
Ohne zusätzliche Arbeitskräfte könnte man eine Internetindustrie nur aufbauen, indem man Arbeitskräfte von bestehenden Industrien nimmt (=Deindustrialisierung?). So einen Wandel gibt es natürlich die ganze Zeit. Fortschritt heißt eben nicht nur, dass man Neues hat, sondern auch, dass man Altes nicht mehr braucht oder will.
So ein Ersetzen von Arbeitsplätzen gibt nur Sinn, wenn die neuen deutlich produktiver sind. Die Internetfirmen sind zwar statistisch extrem produktiv, aber ich zweifle, ob man mit solchen Aktionen den deutschen Durchschnitt heben könnte.