Hej, kennt hier jemand Artikel oder Bücher, die Taktiken antifaschistischer Arbeit analysieren, oder Beispiele für erfolgreiche oder gescheiterte Antifa-Arbeit nennen? Ich arbeite gerade an einem Vortrag und bin enttäuscht von Suchmaschinen-Ergebnissen.

Es geht um die Themen:

  1. Wie erfolgreich sind Antifa-Gruppen als „Einpunktbewegung“, d.h. mit dem Minimalkonsens gegen Faschismus zu sein (im Gegensatz zu einem weiter gefassten Konsens, der eine konkrete Zukunftsvision anstrebt)? Vermutung: Langfristig kann antifaschistische Arbeit nur sinnvoll sein, wenn es ein gemeinsames, langfristiges politisches Projekt gibt, das agieren kann und nicht nur reagieren muss.
  2. Was ist eine sinnvolle Prioritätensetzung zwischen reiner „Verteidigung“ (also z.B. AfD-Parteitag in Essen blockieren), und dem Aufbau eigener Strukturen (z.B. Infrastruktur, Bildungsveranstaltungen, Menschen direkt für antifaschistisches Engagement gewinnen)? Vermutung: Es kommt auf die konkreten Fälle an. Vermutlich ist ungebrochene Solidarität extrem wichtig. Also zu zeigen, dass man in der Gruppe aufeinander aufpasst und sich auffängt, dass man sich auf einander verlassen kann.

Ich weiß, das ist sehr allgemein gefasst. Aber vielleicht habt ihr ja noch einen Link, einen spannenden Gedanken oder eine Geschichte, die euch dazu einfällt?

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    4 months ago

    Meiner Erfahrung nach gibt es 6 Arten von Antifa-Gruppen:

    1. Die Standart-Großstadt-Antifa. Du hast einen Haufen von Leuten mit unterschiedlichen Ideologien, die quasi nur der Antifaschismus eint. Es gibt häufig interne Konflikte und es mangelt an Kommunikation unter den Mitgliedern. Große Unterstützernetze existieren kaum. Die Aktionen werden durch Spenden der Mitglieder oder Online-Crowdfunding-Kampagnen organisiert. Oft passiert es, dass sich innerhalb der Gruppe „Fraktionen“ bilden. Dann einigen sich z.B. die Anarchisten, Queerfeministen und demokratischen Sozialisten für Option A zu stimmen, während z.B. Trotzkisten und Maoisten für Option B stimmen. Manchmal endet das in Spaltungen, meistens aber nicht, weil jeder Angst vor Spaltungen hat.

    2. Die Standart ländliche Antifa. Entsteht in der Regel aus einem Freundeskreis, der mit lokalen Neonazis konfrontiert ist. Es gibt zwar Meinungsunterschiede, aber keine Spaltungen ode rLagerbildungen, da die Mitglieder sich auf persönlicher Ebene verstehen und die Meinungsverschiedenheiten vor allem einzelne Aktionen betreffen. In der Regel keine Finanzierung, wenn man irgendwas braucht nimmt man es halt von zuhause mit. Oft Jugendliche. Kaum/gar keine Veranstaltungen, wie Demos, größtenteils inoffizielle Strukturen. Es gibt keine Website, keine Demos, keine öffentlichen Statements. Der einzige Weg als außenstehender eine zu finden, sind Grafitties in Lost Places, an Brücken, …. Es gibt oft einen zentralen Platz, an dem die Mitglieder sich treffen. Im Ort ist die Existenz der Gruppe und wer zu ihr gehört oft ein offenes Geheimnis, aber genauso wie bei den örtlichen Nazis wird nicht drüber gesprochen. Aktionen sind oft spontan und unüberlegt.

    3. Die (funktionierende) Splitter-Antifa. Gruppe spaltet sich in viele einzelne Aktivisten, die in unterschiedlichen Bewegungen aktiv sind und zum Plenum zusammenkommen. Außerhalb des Plenums und Demos kein Kontakt zwischen Aktivisten in unterschiedlichen Bewegungen. Auf dem Plenum funktionieren die einzelnen Aktivisten nicht nur als Individuen, sondern auch als Vertreter von z.B. der Kurden-Bewegung, der Klimagerechtigkeitsbewegung, … . Dadurch fühlen sie sich eher verpflichtet konstruktiv mitzuarbeiten, weil sie eine Bewegung repräsentieren, die ihnen wichtig ist. Wenn sie sich schlecht benehmen, schädigt das das Ansehen ihrer Bewegung in der linken Szene.

    4. Die (dysfunktionale) Splitter-Antifa. War in der Regel einmal eine Standart-Großstadt-Antifa, die zerbrochen ist. Starke Lagerbildung, die sich gegenseitig feindlich gegenüberstehen. Oft persönliche Konflikte zusätzlich zu ideologischen Differenzen. Starkes Misstrauen untereinander. Oft läuft es darauf hinaus, dass das Plenum nur dazu dient sich gegenseitig anzuschreien und Informationen auszutauschen. Die Aktionen werden oft innerhalb der einzelnen Gruppen geplant. Manchmal kommt es auch zu Gewalt unter den linken Splittergruppen. Solche Gruppen können nur effektiv sein, wenn sich entweder eine der Splittergruppen durchsetzt und die anderen dominiert oder wenn es eine Person gibt, die von allen Lagern respektiert wird und das ganze zusammenhält.

    5. Die geeinte Antifa. Man hat ähnliche/gleiche Ideologische Vorstellungen. Funktionieren oft intern besser, sind aber auch deutlich kleiner als Standart-Großstadt-Antifas. Es gibt zwar persönliche und Taktische Konflikte in der Gruppe, aber keine wirklich großen Konflikte oder Spaltungen. Oft entstehen mit der Zeit persönliche Freundschaften. Die Gruppen können in de rRegel schneller reagieren, haben aber Probleme große Massen zu mobilisieren, weshalb sie bei Demos auf ein Unterstützerumfeld angewiesen sind.

    6. Die traditions-Antifa. Treten oft in Gegenden auf, die z.B. eine lange sozialistische oder anarchistische Tradition haben. Mitglieder kommen oft aus Familien, die stolz auf ihre Vergangenheit in der Arbeiterbewegung sind und Mitglieder wachsen oft schon gemeinsam auf. Sehr effektiv, aber kaum Gegner, weil sie halt in Gegenden auftreten, die traditionell links sind. Manchmal kommt es vor, dass die Gruppen z.B. sehr stark ihre sozialistische Tradition betonen, aber sozialistische Werte und Theorie eher wenig beachten. Es gibt oft weite Generationenübegreifende Unterstützernetzwerke von ehemaligen aktiven Mitgliedern, … . Oft wenig Kontakt mit der Linken Szene.