Solingen. Auf den Messeranschlag von Freitagabend folgten am Sonntag drei Demonstrationen in der Solinger City. Auf der unteren Hauptstraße fanden ab 17 Uhr zwei Kundgebungen statt: eine hatte das Aktionsbündnis „Wuppertal stellt sich quer“ angemeldet, die zweite die MLPD.

Laut Polizei kamen rund 275 zur Bündnis-Demo, rund 50 zur MLPD.

Zudem hatte die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, zu einer weiteren Demonstration ab 18 Uhr in direkter Nähe aufgerufen.

Die Lage war zunächst unübersichtlich. Am Stein hatten sich die Teilnehmer der MLPD-Kundgebung mit ihren Fahnen positioniert. Wenige Meter daneben, an der Ecke Hauptstraße/Linkgasse, standen die Teilnehmer der Bündnis-Demo.

Man bitte, auf Parteiflaggen zu verzichten, sagt eine Sprecherin von „Wuppertal stellt sich quer“: Weil die MLPD das nicht tue, wolle man nicht mit der Partei gemeinsam demonstrieren. Die MLPD wird vom Verfassungsschutz beobachtet, da sie „streng maoistisch-stalinistisch ausgerichtet“ sei und „die Abschaffung des demokratischen Verfassungsstaates“ zum Ziel habe.

Teilnehmerinnen hielten ein Banner hoch mit der Aufschrift: „Gib Antikommunismus, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus keine Chance“ und „Wir trauern um die Toten. Unsere Zivilgesellschaft halten wir hoch“.

Beteiligt an der Veranstaltung der Wuppertaler war das Bündnis „Solingen ist bunt statt braun“. Man sei den Wuppertalern für die Organisation sehr dankbar, sagte die Solinger Sprecherin Daniela Tobias. Man selbst sah sich dazu noch nicht in der Lage. „Wir haben Bekannte, die unter den Verletzten sind.“

Der Angriff sei ein Anschlag auf die Vielfalt der Stadt gewesen. Nach der Tat sei „Bunt statt Braun“ mit Nachrichten geflutet worden, die gegen diese Vielfalt schießen. „Das ist unerträglich in dieser Situation, in der wir trauern.“ Die offene Gesellschaft müsse offen bleiben. Ein weiterer Redner fordert unter Applaus: „Wir müssen lauter werden gegen Faschismus und Extremismus.“

Die Solinger Reiner und Jeannette Kirchner nahmen mit ihren erwachsenen Kindern an der Kundgebung von „Wuppertal stellt sich quer“ teil: „Ich finde es unerträglich, dass Rechtsradikale so ein schreckliches Ereignis instrumentalisieren wollen“, sagte Reiner Kirchner. Karin Scheer war extra mit einer Freundin aus Essen gekommen. Sie kritisierte Propaganda gegen Geflüchtete.

Linksradikal

Weiter entfernt als geplant fand die Demonstration der Organisation „Junge Alternative“ statt. Sie war kurzfristig vor das ehemalige Woolworth-Gebäude verlegt worden. Zu den Rednern gehörten unter anderen der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich, dem die AfD NRW die Mitgliedsrechte entzogen hat, sowie Patrick Heinz, stellvertretender Landesvorsitzender der Organisation „Junge Alternative NRW“. Der NRW-Verfassungsschutz hat die Junge Alternative NRW als Verdachtsfall eingestuft. Der Grund: Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.

Vor laut Polizei 45 Teilnehmern, vielen Journalisten und Polizisten hielten einige Männer ein Transparent mit den Worten „Unser Volk zuerst“ nach oben. Die Redner kritisierten unter anderem eine „verfehlte Migrationspolitik“ und kündigten an, „die Ära der Toleranz beenden, um deutsche Leben zu retten“.

Sagt die Partei, die das Gesundheitssystem privatisieren will

Sie waren häufig nicht gut zu verstehen, da die Mikrofon-Anlage zu Beginn ausfiel. Während der Rede von Helferich näherten sich linke Gegendemonstranten, die mit einem Megafon und Sprechchören („Alle zusammen gegen den Faschismus“) die Demo störten.

Die Demonstration der JA endete gegen 18.30 Uhr mit dem Singen der Nationalhymne, was teils in Sprechchören unterging. Die Teilnehmer verließen mit Polizeibegleitung die Hauptstraße in Richtung Goerdelerstraße.

Linke Gegendemonstranten der Antifa schnitten ihnen auf Höhe Kasinostraße den Weg ab. Auch aus Richtung Finanzamt näherten sich linke Kräfte.

Die Polizei war stark vor Ort vertreten und hatte die Lage im Griff. Mit einzelnen Antifa-Anhängern gab es Auseinandersetzungen vor den Clemens-Galerien.

Antifa-Anhänger

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Der Einsatz dauerte länger, weil bis in den Abend Demonstranten vor der Flüchtlingsunterkunft Goerdelerstraße standen, um diese gegen mögliche Angriffe zu schützen.

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Der Solinger Landtagsabgeordnete Josef Neumann (SPD) beobachtete die Demonstration vor Ort. Trotz des weitgehend friedlichen Verlaufs warnte er: „Ich befürchte, das ist erst der Anfang. Was wir jetzt erleben, wird die Gesellschaft verändern.“

Das Solinger Bündnis „Bunt statt braun“ hat für morgen, 18 Uhr, ein stilles Gedenken auf dem Alten Markt angemeldet. Das Bündnis wolle eine leise Veranstaltung mit Raum für Trauer, so Hans-Werner Bertl und Daniela Tobias.