Vor fast zwei Jahren veröffentlichte die damalige UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet einen Bericht über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der chinesischen Provinz Xinjiang. Die UN versicherten, die Verstöße gegen die Uigur*innen nicht ungestraft zu lassen. Doch passiert ist seither wenig. Außer, dass Bachelets Nachfolger Volker Türk China Anfang 2024 aufforderte, Gesetze zu ändern, die Grundrechte verletzen – dies gelte auch für die Regionen Xinjiang und Tibet.
[…]
Gleichzeitig nehmen die Menschenrechtsverletzungen perfidere Formen an und erstrecken sich zunehmend auch auf Uigurinnen im Ausland. Nach Angaben uigurischer Aktivistinnen wurden einige der Umerziehungslager, in denen bis 2019 etwa eine Million Menschen interniert waren, geschlossen. “Viele sind in offizielle Gefängnisse oder Internate umgewidmet worden, manche auch zu Fabriken, manche stehen leer”, sagt Abduweli Ayup.
[…]
Tausende Kinder müssen mittlerweile staatliche Internate besuchen, um dort Unterricht in Mandarin zu bekommen, der Sprache der Han-Chines*innen. Das System beginne direkt nach dem Kindergarten. Die Länge des Aufenthalts sei unterschiedlich: “Manche können wenigstens an Wochenenden und in den Ferien nach Hause, manche müssen jeden Tag im Internat sein”, sagt Ayup. “Das betrifft vor allem Kinder, deren Eltern inhaftiert sind.”
[…]
Erkin Sidick vom World Uyghur Congress, der ebenfalls ständig aktuelle Berichte aus Xinjiang erhält, beschreibt die Lage ähnlich. Er weist darauf hin, dass viele Schilder an Polizeistationen und Umerziehungslagern verschwunden seien: “Die Kommunistische Partei versucht auf diese Weise, die Welt über ihre Verbrechen zu täuschen”, sagt Sidick. “Sie will die Lage der noch lebenden Uiguren verbessern, um ihre Herzen zu gewinnen – und sie den Völkermord vergessen zu lassen.”
[…]
Chinesische Institutionen starteten zudem eine Propagandakampagne in den Online-Netzwerken, die während des Fastenmonats Ramadan besonders forciert wurde. “Ein Propagandateam produziert Inhalte, die vermitteln sollen: Alles in der Region ist ganz normal.” Die Strategie richte sich an die breite Masse: “Wer mitmacht, muss nichts Politisches von sich geben. Er muss nur erklären, dass das Leben ganz gewöhnlich läuft. Dass er in Xinjiang lebt und Getreide anbaut oder wie der Tagesablauf ist.” Adressatinnen seien auch Exil-Uigurinnen: “Selbst Familien in Norwegen sind darauf hereingefallen und nach Xinjiang zurückgezogen.”