“Es gibt verschiedene Desinformationsmethoden, die bei Wagenknecht und ihren Parteimitgliedern auffallen”, sagt Klaus Gestwa, Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde an der Universität Tübingen. Ungeniert würden Falschaussagen zum Krieg in der Ukraine verbreitet.
Dabei werden etwa einzelne Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, um die eigene Position zu stützen. “Bei ihrer Rosinenpickerei suchen sie nach einem halbwegs passend erscheinenden Satz, lösen diesen aus dem eigentlichen Interviewzusammenhang heraus und nutzen das so verzerrte Zitatschnipsel als Beweis für ihre politische Botschaft”, sagt Gestwa.
-
“Russland hat faktisch kein Interesse daran, in die Ukraine einzumarschieren”, sagte Sahra Wagenknecht in der Fernseh-Sendung am 20. Februar 2022. “Wir können heilfroh sein, dass der Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben.” Auch ihre Parteikollegin Sevim Dagdelen sprach wenige Tage vor der russischen Invasion von “Lügenmärchen des US-Geheimdienstes”. Am 24. Februar bewies der russische Präsident Wladimir Putin das Gegenteil.
-
Im TV-Polittalk suggerierte Wagenknecht, das Kiewer Krankenhaus Ochmadyt sei nicht von einer russischen Rakete abgeschossen worden, sondern mutmaßlich von einer ukrainischen Flugabwehrrakete. Dabei gilt es als ziemlich sicher, dass die Kinderklinik von einer russischen Rakete des Typs Kh-101 (Ch-101) getroffen wurde. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem die vorläufige Untersuchung des UN-Menschenrechtsbüros.
-
Kurze Zeit zuvor hatte das BSW bei Instagram eine Grafik gepostet mit dem Satz: “Regierung ignoriert Mehrheit: 72% Ukrainer wollen Verhandlungen statt Waffen!” Auch das war falsch. Denn in der Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS), auf die sich in dem Post bezogen wird, sprachen sich 72 Prozent der Befragten für eine diplomatische Lösung zusätzlich zu militärischen Hilfen aus - nicht stattdessen. Weitere 23 Prozent meinten sogar, dass der Krieg nur militärisch durch einen Sieg über Russland beendet werden könne. Der Fehler wurde später im Text zum Posting korrigiert.
-
Ebenfalls bei einer Polittalkshow hatte Wagenknecht behauptet, dass der deutsche Rüstungshaushalt bei 90 Milliarden Euro liege. Auch das ist nicht richtig. Der Verteidigungshaushalt für das laufende Jahr liegt regulär bei 51,95 Milliarden Euro, hinzu kommen 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Beschaffung von militärischer Ausrüstung. Das macht insgesamt knapp 72 Milliarden Euro.
-
Des Weiteren verbreitete BSW-Parteimitglied Metin Kaya die von Russland in Umlauf gebrachte Falschbehauptung, Frankreich habe Truppen in die Ukraine geschickt. Auch hierfür gibt es keinerlei Beweise. Das französische Verteidigungsministerium hat diese Behauptung bereits mehrfach dementiert, auch auf Anfrage des ARD-faktenfinders. Seinen Post hat Kaya wieder gelöscht, doch er wurde zuvor von anderen aus der Partei, auch von Wagenknecht selbst, verteidigt.
-
Auch die Gräueltaten von Butscha wurden von einigen BSW-Mitgliedern wie Thomas Geisel zumindest relativiert. Die so produzierten diskursiven Nebelschwaden sollen verhindern, das Offenkundige zu thematisieren und Russland vor schweren, aber berechtigen Anschuldigungen in Schutz zu nehmen, so Gestwa.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht arbeite bei der Verbreitung prorussischer Narrative nicht nur mit Falschbehauptungen, sagt Gestwa. So versuchten Wagenknecht und Co. mit Blick auf den Krieg in der Ukraine immer wieder, bei für sie unliebsamen Themen Zweifel zu säen.