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Was, wenn die AfD doch an die Macht kommt? Wir sollten uns darauf vorbereiten. Aber jede Maßnahme birgt ihr eigenes Risiko.
Die Reaktionen nach dem Correctiv-Bericht über das „Remigrations“-Treffen waren erwartbar: Es müsse nun aber endgültig „aufgewacht“ werden, „alle Demokraten müssen jetzt zusammenstehen“, ein „Alarmsignal“ war es natürlich auch.
Es waren dieselben Formeln wie nach dem Anschlag von Halle, dem Mord an dem Kasseler CDU-Landrat Walter Lübcke, dem Anschlag von Hanau, nach den Verhaftungen der rechtsterroristischen „Gruppe S“ oder den Putschplanern um Prinz Reuß.
Mit pastoral-bundespräsidialem Tonfall wird gemahnt. Viel zu selten aber sagt einer, was genau getan werden soll, wenn denn alle mal aufgewacht sind.
Wohl auch, weil vielen schwant, dass die „wehrhafte Demokratie“ eine heikle Angelegenheit ist: Rüstet sie auf, sind ganz schnell auch andere dran – und das nicht nur, falls die AfD am Ende doch Macht bekommt.
Eine Ausnahme von der verbreiteten Ideenlosigkeit ist die mittlerweile etwas offener geführte Debatte über ein AfD-Verbot. Immerhin sagen viele nun konkret, was aus ihrer Sicht dafür oder dagegen spricht. Die enormen Risiken dieses Schritts sind offenkundig.
Das sehr verdienstvolle Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs macht sich seit Längerem Gedanken, wie die Demokratie gegen eine „autoritär-populistische Machtübernahme“ resilient gemacht werden kann.
Unter anderem schlägt es vor, die Landesverfassung so zu ändern, dass Höcke in einem dritten Wahlgang nicht mit einfacher Mehrheit zum Regierungschef gewählt werden kann.
Das Beamtenrecht solle so reformiert werden, dass die Spitzen von Verfassungsschutz (VS) und Polizei nicht einfach neu besetzt werden könnten.
Andere denkbare Gegenstrategien sind mühsamer, viele unsicher, einige gefährlich.
Der schlechteste Weg ist aber, über diese Strategien nicht zu reden. Zu klären ist, wann das Gegenmittel schlimmer ist als das Problem – und wann eben nicht.
Manche fürchten, bei der Wahl in Thüringen könnten so viele Parteien unter 5 Prozent bleiben, dass Höcke schon mit gut 40 Prozent Ministerpräsident werden könnte. Was dann folgt, ist bereits bekannt. Denn er hat in einem 5-Punkte-Plan dargelegt, was er an der Macht vorhat.
Unter anderem will er die Medienstaatsverträge kündigen. Vom MDR soll nur ein steuerfinanzierter „Grundfunk“ übrig bleiben. Rechtlich wäre das schon 2024 möglich.
Könnten etwa die Länder den Medienstaatsvertrag vorher noch so ändern, dass Höckes Pläne vereitelt würden?
Höcke will jedes „Klimagedöns“ des Landes abräumen. Dabei verpflichtet unter anderem das Bundesklimaschutzgesetz die Länder zum Klimaschutz.
Lassen sich die Vorgaben an die Länder so gestalten, dass ein Ausstieg für eine Höcke-Regierung zu kostspielig würde?
Die Programme für Demokratie, Vielfalt und gegen Rechtsextremismus sollen weg – den „Ideologie-Staat zurückdrängen“ nennt Höcke das. Was spräche gegen eine Bestandsgarantie von Bund oder Ländern?
Laut Landeswahlprogramm will die Thüringer AfD eine „Mitmachdemokratie“ und Volksbegehren erleichtern.
Ein Blick nach Ungarn zeigt, was dabei herauskommen kann: Die Regierung hetzt in einer Tour und holt sich in Referenden Zustimmung für ihre autoritäre Politik.
Die Grünen etwa sind große Fans direkter Demokratie. Aber was, wenn – etwa befeuert von einem AfD-freundlichen „Grundfunk“ und rechtsextremen Privatmedien – immer mehr Menschen finden, dass das Menschenrechtsgedöns mal aufgeräumt gehört? Ist es dann besser, Möglichkeiten direkter Demokratie per Bundesrecht einzuschränken?
Waffenbesitz will die AfD in Thüringen, wo viele militante Neonazis leben, erleichtern.
Maßnahmen gegen Hetze im Netz will sie als „Zensur“ bekämpfen.
Kann der Bund dem einen Riegel vorschieben? Sollte er?
In Thüringens Schulen soll es keine „ideologischen Gesinnungsanleitungen“ oder „Frühsexualisierung“ mehr geben.
Welches Geschichtsbild dort gelehrt werden soll, ist sowieso vorstellbar.
Muss die Kultusministerkonferenz Kompetenzen bekommen, um Lehrinhalte verbindlicher festlegen zu können?
Die Handlungsspielräume möglicher AfD-Landesregierungen einzuschränken, könnte Schlimmes verhindern.
Aber es ist ein Rütteln am Föderalismus, der auch nach hinten losgehen kann: Wenn Rechtsextreme irgendwann im Bund mitregieren, könnten liberalere Bundesländer selbst schlechter ihren eigenen politischen Weg gehen. Fragen des Wahl-, Beamten- und Parteienrechts sind nicht weniger heikel.
Letztlich kommt es dabei immer auf das Urteil des Verfassungsschutzes an: Wen der für extremistisch hält, gegen den darf vorgegangen werden.
Bei der AfD ist das nun in Teilen so. Wird die Partei insgesamt vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft, könnten AfD-Funktionäre in großer Zahl ihren Job verlieren.
Was als extremistisch gilt, ist allerdings immer auch eine Frage politischer Prämissen.
Wäre Hans-Georg Maaßen heute noch VS-Chef – jede AfD-Verbotsdiskussion wäre hinfällig. Unter ihm würde der VS die Partei kaum als extremistisch einstufen.
Was also, wenn im Osten bald AfD und eine neue Partei der Werteunion koalieren und Maaßen wieder VS-Chef oder Innenminister würde? Links der Mitte dürfte da fortan so einiges als extremistisch gelten.
Viele der Gegenstrategien können sich auch gegen andere richten. Einige erinnern sich noch, was Berufsverbote einst für Linke bedeuteten.
Will man das noch mal? Politische Gegenstrategien könnten von vielen als undemokratisch empfunden werden und die extreme Rechte weiter stärken.
Das heißt nicht, dass sie in der gegenwärtigen Lage falsch sein müssen. Wichtig ist, die Diskussion darüber aufzunehmen, was möglich und sinnvoll wäre und welche Risiken in Kauf genommen werden sollten. Solange nur „Aufwachen“ gepredigt wird, passiert das nicht. Ein sträfliches Versäumnis.