Der anstehende Jobkahlschlag ist der Vorbote des drohenden Niedergangs bei VW: Viel zu lange haben es sich Belegschaft und Management von Deutschlands wichtigstem Konzern in alten Gewohnheiten bequem gemacht. Wolfsburg kämpft ums Überleben.

Das, was den Volkswagen-Beschäftigten in dieser Woche ins Intranet flatterte, war in vielerlei Hinsicht eine Bankrotterklärung. In seltener Offenheit verkündete VW-Markenchef Thomas Schäfer der Belegschaft eine unangenehme Botschaft: Die Marke Volkswagen ist mit den bisherigen Strukturen, Prozessen und hohen Kosten nicht mehr wettbewerbsfähig, hieß es da. Gleichzeitig kündigte er spürbare Einschnitte an: “Wir müssen ran an die kritischen Themen, auch beim Personal.”

Auch wenn noch nicht feststeht, wie viele Stellen genau wegfallen sollen, ob Altersteilzeit dabei eine Rolle spielen soll. und auch wenn Die Untergangsrhetorik des Managements natürlich auch Verhandlungstaktik im Machtpoker mit den Gewerkschaften ist: Es ist ein Tabubruch, den Schäfer und sein Vorstandskollege Gunnar Kilan da verkündet haben. VW-Chef Oliver Blume, in Personalunion nebenbei noch Porsche-Chef, droht, die Axt an die Stammbelegschaft in Deutschland zu legen. Erstmals sollen bei Deutschlands wichtigstem Industriekonzern dauerhaft Stellen wegfallen.

Es ist das größte Sparprogramm in der Geschichte von Volkswagen. Zehn Milliarden Euro will der Konzern sparen, die Kosten um 20 Prozent drücken. Der Autoriese strebt den Radikalumbau an, weil es anders nicht mehr weitergeht. VW muss sich neu erfinden, oder untergehen. Schon vor einigen Tagen hatte Schäfer laut “Handelsblatt” in einem internen Podcast Personalvorstand Gunnar Kilan selbst gesagt: “Wir sind zu langsam, zu träge, zu kompliziert - das ist nicht überlebensfähig.” Dass es so weit gekommen ist, hat viel damit zu tun, dass Management und Belegschaft zu lange die Augen vor unbequemen Wahrheiten verschlossen haben.

[…]

Augen zu und durch war jahrelang auch das Motto des Managements. Viel zu lange hat es den Konzern weiter auf teure Premium-Modelle statt günstige Einsteiger-E-Autos getrimmt. Und dabei einseitig nur auf die China-Karte gesetzt - ohne einen Plan B zu entwickeln für die Zeit, wenn die Autobauer aus der Volksrepublik technologisch aufgeschlossen haben - und VW dort überflüssig machen. Nun ist diese Zeitenwende gekommen. Doch außer “Vorwärts zum Sieg” kommt aus der Chefetage nicht viel.

“Es gibt für uns kein Argument, warum wir nicht auf der gleichen Kostenbasis in China Fahrzeuge entwickeln und herstellen wie unsere chinesischen Wettbewerber”, beharrt Blume in der “FAZ” auf der China-Strategie. Die Konkurrenz aus den USA, Japan oder Frankreich sieht das anders. Sie kehrt der Volksrepublik längst den Rücken.

VW dagegen setzt noch einen drauf. Und baut die inzwischen schicksalhafte Abhängigkeit von China noch aus: Blume verlagert die Entwicklung neuer Elektroautos weg von Wolfsburg in die Volksrepublik. Ein eigenes Entwicklungszentrum dort soll künftig losgelöst von der Zentrale für den chinesischen Markt entscheiden.

[…]

Das ist umso dramatischer, weil Oliver Blume überhaupt nur deswegen VW-Chef wurde, weil es in China nicht lief - und er im vergangenen Herbst antrat, das zu ändern. Ein knappes Jahr später steht VW im Reich der Mitte genauso schwach da. Und alles was Blume bislang einfällt, ist zu Hause in Wolfsburg den Rotstift anzusetzen. Ob der Konzern an den Herausforderungen der Zeit zerbricht, hängt davon ab, ob es Blume und seiner Kontrahentin Cavallo gelingt, alte Gewohnheiten abzulegen, in denen es sich die Verantwortlichen bei Volkswagen zu lange gemütlich gemacht haben.

  • Gojitas@feddit.de
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    9 months ago

    Letztes Jahr Herbert Diess entlassen, obwohl der scheinbar sehr bemüht war in Richtung Zukunft zu Denken. Und jetzt gefühlt schlechter da zu stehen.

  • rustyfish@lemmy.world
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    9 months ago

    Der Konzern ist zu teuer und hat die Wende zur Elektromobilität zu lange verschlafen. Während in Wolfsburg über Weihnachtsgeld und Werksauslastungen gezankt wurde, sind in den USA mit Tesla und vor allem in China neue Konkurrenten entstanden, die dem Autoriesen bei Stromern längst das Wasser reichen können. Trotz des Umbruchs bot der Autobauer seiner Belegschaft weiter Vorzüge, die noch aus den 1950er Jahren stammen: einen üppigen Haustarifvertrag, dessen Klauseln die Gewerkschaften mit Zähnen und Klauen verteidigten. Abgesichert durch die niedersächsischen Ministerpräsidenten, die dank VW-Gesetz von der Seitenlinie mitregierten.

    […]

    IG Metall und VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo pochen eisern auf die Beschäftigungsgarantie, die sie dem Management einst vor Jahren abgerungen haben: keine betriebsbedingten Kündigungen bis 2029. Ganz so, als würde die Autowelt sich weiter nur um die Wunschlisten deutscher Gewerkschaftsfunktionäre drehen - und wären nicht schon Lichtjahre weiter. VW droht nun womöglich genau das, was das Wolfsburger System immer tunlichst zu vermeiden suchte: ein offener Konflikt zwischen Vorstand und Betriebsrat.

    Also haben sie den Umstieg auf E-Autos phänomenal versacksemmelt und die Gewerkschaften sind jetzt Schuld?

    Boah, ich werde es feiern sobald VW pleite ist.

    • llii@feddit.de
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      9 months ago

      Die sollten zuerst die Chefetage rausschmeißen, die die falschen Entscheidungen getroffen haben. Ohne Abfindung. Groß Knete verdienen, aber die Verantwortung müssen dann die anderen tragen.

    • FaulerFuffi@feddit.de
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      9 months ago

      Also wenn man jetzt alle Manager feuert und die Belegschaft so belässt, ist der Konzern wieder in Ordnung?

  • PreppaWuzz@discuss.tchncs.de
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    9 months ago

    Schon scheiße, dass dem Management immer nur einfällt in der Produktion zu sparen, obwohl sie selbst die falschen Entscheidungen getroffen haben, die zu den den Problemen geführt haben.

    Und ich verstehe es auch echt nicht, der Konzern hat eine super Elektro-Plattform und die auch durchaus in einer ansehnlichen Produktpalette inzwischen. Nur an der Software müssen sie dringend arbeiten, wie eigentlich alle europäischen Hersteller, da ist ihnen Tesla meilenweit voraus. Aktuell bricht ihnen die dämliche deutsche Förder-Politik ein wenig das Genick, aber das war zu erwarten, und in China werden sie nix reißen, das Thema ist durch. Aber Europa und USA stehen ihnen offen, wenn sie nur mal auf Ihre Nutzer hören würden, und die dringenden Probleme angehen würden. Aber anscheinend ist meckern wie scheiße die Welt ist, und Leute rauswerfen das einzige, was das Management kann.

    Den Vorsprung, den die vor kurzem bei E-Antrieb unter den europäischen Herstellern hatten, haben sie so langsam leider wieder verspielt.

    • cedeho@feddit.de
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      9 months ago

      Nur an der Software müssen sie dringend arbeiten, wie eigentlich alle europäischen Hersteller, da ist ihnen Tesla meilenweit voraus.

      Woran macht sich das bemerkbar?

      • bAZtARd@feddit.de
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        9 months ago

        Ich kann mich theoretisch mit der VW Cloud verbinden und online services über mein Telefon verwenden. Hat nur bislang kein einziges mal funktioniert. Server Verbindung timeout. Aber Funktionen wie Android Auto freischalten ginge darüber ohnehin nicht. Dazu musste ist in eine Werkstatt! Die müssen sich dann etwas schicken lassen um das freizuschalten.

        Das Auto hat auch eine Start-Stopp-Automatik. Es ist mehrfach passiert dass das Auto an einer Ampel aus ging. Aber nicht mehr an. Softwareproblem. Steuergerät muss getauscht werden. Ich wiederhole: ich muss in eine Werkstatt, die müssen Hardware tauschen und ich muss das bezahlen. Warum kann ich sowas nicht OTA kostenlos zuhause einspielen?

        DieStart-Stop-Aurtomatik kann man auch ausschalten. Aber wenn man das Auto neu startet ist sie wieder an. Lässt sich auch nicht irgendwo in der Konfig einfach dauerhaft abschalten.

        Es ist einfach nur peinlich was die da ausliefern.

        • cedeho@feddit.de
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          9 months ago

          Bei VW habe ich das Debakel durchaus mitbekommen. Ich hatte meine Frage jetzt eher auf das “alle europäischen Hersteller” bezogen. Soweit ich das verstanden habe, ist Tesla doch nur bei dem Autopiloten weiter, auch wenn das übertrieben gehyped wird und noch weit von (rechts)sicheren Betrieb entfernt ist?

      • FaulerFuffi@feddit.de
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        9 months ago

        Ich hatte nen 2021er Audi. Login im Auto, synchronisation mit dem Handy, Updates Installation, Standheizung über App anmachen. All das machte regelmäßig Probleme :(

        Jetzt hab ich nen elektro BMW, und es ist alles zuverlässiger. Tesla kA

    • Tschuuuls@feddit.de
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      9 months ago

      Und ist eben auch ziemlich doof wenn du deine ID Plattform absichtlich neutral/unspannend machst um ja nicht deinen anderen Marken den Rang abzulaufen. Wenn man dann nicht reagiert wenn die Konkurrenz bessere Fahrleistungen bietet etc.
      Man sollte einfach ne “dumme over the top” config im Angebot haben, auch wenn die meisten dann die kleinere kaufen und damit zufrieden sind. Muss jetzt ja nicht unbedingt Flügeltüren haben und 1000PS aber man könnte sich ja bemühen.

  • Send_me_nude_girls@feddit.de
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    9 months ago

    Einfach Vater Staat um Geld anbetteln, so wie immer. Kommt halt die Abwrackprämie 2.0, Geld fürs Alte, Rabatt aufs E-Fahrzeug. Muss halt nur groß und überzeugend angekündigt werden, dann fließen auch die Manager Gehälter wieder weiter. Alte Leier eben.

  • Mopswasser@feddit.de
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    9 months ago

    Ich habe vor zehn Jahren in einem Forschungsprojekt zur Elektromobilität in Flotten gearbeitet. Damals gab es in der Kompaktklasse neben Leaf/iOn/C-Zero (jeweils das gleiche Auto) nur den VW e-Up, den wir intensiv technisch, ökonomisch und sozialwissenschaftlich im Rahmen von Feldversuchen beforscht haben. Energieversorger und Flottenbetreiber hat das alles sehr interessiert. Wir wollten auch bei VW vorsprechen, hätten wir als öffentlich finanzierte Wissenschaftler natürlich für umme gemacht und ihnen all unsere Erkenntnisse aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Aber da hatte niemand Interesse irgendwas dazu zu hören. Ich behaupte jetzt nicht, dass uns der Vorstand mit der Sänfte nach Wolfsburg hätte tragen sollen aber irgendwas hätte denen unsere Erkenntnis schon gebracht. Tja.

    • olizet@lemmy.works
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      9 months ago

      Der e-Up war ein Renner und wurde VW aus den Händen gerissen. Produktion nicht rentabel? Dann baut das Ding halt in China.

      Der Absatz brach ein, nachdem der Preis auf beinahe ID.3-Niveau angehoben wurde. Und momentan verkaufen die nicht viel.

      Dabei war das echt ein guter Kleinwagen. Unglaublich effizient, selbst auf der Autobahn (ich konnte den von einem Kumpel mal fahren).

      • Mopswasser@feddit.de
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        9 months ago

        Absolut, tolles Auto. Hindsight is 2020 aber VWs Strategie die letzten Jahre war einfach so erbärmlich. Wie jemand anderes hier schrieb, die hätten sich den heimischen Markt für Kurzstrecken-Flotten (ambulante Pflegedienste, Kurierdienste, Restaurantlieferungen) auf ferne Zukunft hin sichern und mit einem konkurrenzlosen Service-Netz punkten können. Aber ne, man musste ja auf die wachsende chinesische Mittelschicht und deren Bock auf große Karren setzen.

  • x2XS2L0U@feddit.de
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    9 months ago

    sei VW

    habe mit dem up! ein kleines und sparsames Auto im Angebot, Verbrenner wie Elektro

    Liste der Vorbestellungen ist lang, Pflege- und Lieferdienste reißen sich um die Wagen

    Stelle den Wagen ein, obwohl id3 und co nicht fertig sind und viel zu teuer

    “Warum können wir keinen Gewinn haben…?”

      • Quittenbrot@feddit.de
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        9 months ago

        Keiner dieser Köpfe, würde aber auf klassischen Tunnelblick durch Gier tippen.

        VW ist lange in China aktiv und mit dem Land “gewachsen”. Anfangs abgehalfterte, aufgehübschte Santanas, heute Dank steigendem Wohlstand immer weiter Richtung Premium. Günstige, kleine E-Autos können die Chinesen heute selber gut genug, aber bei Premium zieht vielleicht noch die europäische Karte. Also setzt man darauf, die eigentliche Entwicklung und den Rest der Märkte vollkommen ignorierend.

        • AggressivelyPassive@feddit.de
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          9 months ago

          Naja, es gab ja aber offensichtlich ein bereits fertiges, sehr beliebtes Produkt. Natürlich ist das nicht so profitabel wie ein Luxusauto, aber es ist ein Schritt in einen Markt, der ohne Frage kommen wird.

          • Quittenbrot@feddit.de
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            9 months ago

            Schon. Aber offenbar wird dort in der Leitungsetage nach diesem Halbsatz

            Natürlich ist das nicht so profitabel wie ein Luxusauto

            direkt aufgehört zu lesen.

            • Bibez@lemmy.ml
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              9 months ago

              Erinnerst dich an die Geschichte vor nem halben Jahr? VW lässt Ingenieure mit eigener Flugzeugflotte alleine aus Prestige-Gründen von Salzburg nach Wolfsburg pendeln? (Plus die Flugzeuge liefen die längste Zeit über eine Briefkastenfirma auf den Cayman-Islands.)

              Mich wundert da gar nichts.

              • Quittenbrot@feddit.de
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                9 months ago

                Alles geht in Wellen, auch das Leben eines Konzerns/einer Industrie. Wir hatten mit unserer Autoindustrie ohnehin schon erstaunlich lange Glück, jetzt holen die selbstgemachten Fehler sie ein.

    • Quittenbrot@feddit.de
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      9 months ago

      Naja. Man sollte sich schon noch ein zwei Sätze gepfefferte Tirade zurechtlegen, sobald die Diskussion aufkommt, ob nicht der deutsche Steuerzahler den Konzern finanziell vom Baum abschneiden könnte…

  • madcaesar@lemmy.world
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    9 months ago

    Every VW I’ve owned and worked on has been needlessly over engineered and complicated to the point that it’s a pain in the ass to do the most basic of maintenance.

    And the interior of a 2005 Jetta looks and feels exactly the same as a 2020 Jetta. Hard shitty plastic everywhere and complications under the hood.

    • TwoCubed@feddit.de
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      9 months ago

      Same can be said for most other German cars. It’s about time Germany started focussing on other Industries. The car industry has been dead for quite a while now. They wouldn’t exist without all the subventions they get shoved into their arses.