Hier wird meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Aspekt aufgegriffen, der sich auf viele weitere Bereiche ausweiten lässt: der dysfunktionale Zustand der Marktwirtschaft.
Nicht nur die Tech-Branche wird von einem Oligopol aus Google, Microsoft und Amazon beherrscht, sondern nahezu jede Branche wird mittelbar oder unmittelbar von einer kleinen Anzahl an Konzernen dominiert.
Beipielsweise wird der globale Kakaohandel maßgeblich von drei Unternehmen kontrolliert (Cargill, Calebaut, Olam), die ihre Stellung missbrauchen, um die lokalen (vorwiegend afrikanischen) Bauern dazu zu zwingen, unter Herstellungskosten zu verkaufen [Kakao].
Oder die Discounter Aldi, Edeka, Lidl, Netto, die den Milchpreis durch ihre marktbeherrschende Stellung massiv drücken, so dass die Milchbauern kaum ihre Ausgaben kompensieren können [Milch] und diese niedrigen Einkaufspreise als Gewinn für sich einbehalten und nicht an den Konsumenten weitergeben [Milch2], was übrigens auch zur Folge hat, dass es immer weniger kleine Milchbetriebe gibt, dafür wenige großindustrielle Betriebe [Milch3].
Weiterhin wird fast die gesamte Lebensmittelindustrie von gerade Mal acht Konzernen beherrscht, an der Spitze u.a. Nestlé und Unilever [Lebensmittel].
Das ließe sich sicherlich noch für weitere Branchen, wie Autoindustrie (VW, PSA, GM, …), Chipfertigung (Foxconn) oder Ölindustrie (OPEC) fortführen.
Den Lösungsansatz der Zerschlagung halte ich dabei für ungenügend (aber notwendig!). Dass Kartellbehörden der Monopolisierung der Märke nur unzureichend entgegenwirken, zeigt der Status Quo. Eine übermäßige Akkumulation von Kapital führt notwendigerweise zu mehr Macht und Einfluss, weshalb die Eigentumsstrukturen die Stellschraube sind, an der wir drehen müssen.
Während unsere Gesellschaft nach demokratischen Prinzipien organisiert ist, verhalten sich die Strukturen in der Wirtschaft wie Feudalstaaten – das gesamte Unternehmen wird von einer kleinen, priviligierten Gruppe autokratisch verwaltet regiert, die Macht an Vertraute oder den Nachwuchs der Bosse vererbt. Das Schicksal der wertschöpfenden Arbeiter hängt dabei ab von der Gnade der Ersatzfürsten, welche sich im Gegensatz dazu, wenn die Belegschaft den Gürtel enger schnall muss, beliebig bereichern können (siehe den Fall Kurzarbeit und Millionenboni bei [Daimler] oder [Disney]).
Deshalb wäre in meinen Augen der nächste logische Schritt in der Entwicklung unseres Gemeinwesens die Angleichung der Zustände der Wirtschaft an die der Zivilgesellschaft. Unternehmen müssen demokratisiert werden. Ein Arbeiter, ein Anteil, eine Stimme muss dabei das Grundprinzip sein, wobei der Anteil nicht handelbar ist, so dass das Unternehmen nicht wieder in die Klauen des Kapitals geraten kann. Entscheidungen müssen maximal transparent getroffen werden, darunter auch die Bezahlung jedes Mitarbeiters, denn hier liegt der Kern zur Verhinderung von Ungleichheit.
Warum sollte eine demokratische Organisationsform nun die Mono- und Oligopolisierung der Märkte verhindern? Weil Partizipation sich in kleinerem Umfang besser umsetzen lässt. 20,000 Mitarbeiter werden kaum zufriedenstellende Einigungen erreichen, so dass große Unternehmen sich so lange aufspalten bis diese sich anständig partizipativ-demokratisch organisieren können. Heutige Unternehmen würden nur noch in der Form loser Kooperationsverbünde existieren.
Weiterhin wird durch den Einfluss des Einzelnen Moral und Ethik eine größere Rolle spielen, da nun nicht mehr eine Gruppe ehrgeiziger, gieriger Männer Entscheidungen trifft. Die Dezentralisierung und Selbstverwaltung führt dazu, dass jeder sich seines Handelns und dessen Folgen stärker bewusst wird.
Schließlich führt mehr Verantwortung in der Gemeinschaft auch zu einer stärkeren Verwurzelung im demokratischen System, wovon letztendlich wieder die Politik und Zivilgesellschaft profitiert.
Viele der Anregungen sind aus dem Buch Another Now von Yanis Varoufakis entnommen, welches ich inhaltlich für absolut brilliant und empfehlenswert halte [Varoufakis Buch][Varoufakis Artikel]. Was denkt ihr darüber?
[Daimler] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Daimler-koennte-Hilfe-locker-zurueckzahlen-article22461957.html
[Disney] https://www.tagesanzeiger.ch/disneys-grossnichte-wettert-gegen-die-eigenen-firmenchefs-797832434941
[Kakao] https://www.zdf.de/assets/faktencheck-22-juni-2021-100~original?cb=1633862258623
[Milch] https://www.agrarheute.com/markt/milch/hoch-kosten-fuer-milchbauern-wirklich-575105
[Milch2] https://www.wochenblatt-dlv.de/maerkte/molkereien-gedrueckt-verbraucher-geschroepft-563794
[Varoufakis Artikel] https://www.theguardian.com/books/2020/sep/04/yanis-varoufakis-capitalism-isnt-working-heres-an-alternative
[Varoufakis Buch] https://www.buecher.de/shop/altern/another-now/varoufakis-yanis/products_products/detail/prod_id/58584518/